Die Elfen
zu ihr zu kommen.
Er nahm neben ihr Platz und fasste ihre Hand. »Du hast geweint.«
»Ich hatte einen bösen Traum. Aber nun ist er vorüber. Du bist da.« Sie sah sich um. »Es ist merkwürdig. Es ist alles so klar. So, als wäre es gar kein Traum.«
»Du hast Macht über diese Traumwelt. Das spüre ich. Was du willst, das wird geschehen. Der Schmerz hat dir diese Kraft verliehen. Er hat Wünsche in dir geweckt.«
»Ich sehe dich nicht zum ersten Mal in meinen Träumen, Nuramon. Erinnerst du dich an das letzte Mal,
da wir uns hier in meinem Schlaf trafen?«
»Nein. Denn ich bin nicht der Nuramon aus deinen Träumen. Ich bin kein Bild, das du dir von mir machst. Ich bin von außen in deinen Traum gekommen.«
»Aber warum?«
»Weil ich mich entschuldigen muss. Ich habe mein Versprechen gebrochen. Wir werden nicht zurückkehren.« Er sagte es mit einer so sanften Stimme, dass sie ganz ruhig blieb.
»Dann war es die Wahrheit, die ich vorhin gesehen habe?«
Er nickte. »Die Elfenjagd ist gescheitert. Wir sind alle tot.«
»Aber du bist hier.«
»Ja, aber ich kann nicht lange bleiben. Ich bin nur ein Geist, den der Tod bald fortnimmt, auf dass ich einst wiedergeboren werde. Nun weißt du, was geschehen ist. Und du hast es nicht aus dem Munde irgendeines anderen erfahren.« Er erhob sich. »Es tut mir so Leid, Noroelle.« Nuramon schaute sie sehnsuchtsvoll an.
Sie stand auf. »Du hast gesagt, dass ich Macht über diesen Traum habe.«
Er nickte.
»Dann nimm meine Hand, Nuramon!«
Er gehorchte ihr.
»Schließ die Augen!«
Nuramon fügte sich ihrem Wunsch.
Noroelle dachte an ihre Kammer. Oft hatte sie sich den Tag ausgemalt, da sie Farodin oder Nuramon in ihr Gemach führen würde. Und da es in der Wachwelt nie mehr geschehen würde, beschloss sie, es hier im Traum geschehen zu lassen. Sie führte ihn einige Schritte über die Wiese und wünschte, sie wäre in ihrer Kammer. Plötzlich waren da Mauern um sie herum. Die Pflanzen verwandelten sich in Efeu, sie rankten sich an den Wänden hinauf und nahmen bald die ganze Decke ein. Der See schwand ebenso wie die Linden. Stattdessen wurde der Boden zu Stein, und Möbel aus lebendem Holzgeflecht stiegen aus ihm empor. Selten hatte sie solche Macht in ihren Träumen verspürt. »Öffne die Augen, mein Geliebter!«, sagte sie leise.
Nuramon tat es und schaute sich lächelnd um. »Ich hatte es mir anders vorgestellt.«
»Es ist nur im Traum so groß. Und dass hier überall Pflanzen wachsen, sollte dich nicht wundern.«
Er legte die Hände auf ihre Schultern. »Ich wünschte so sehr, ich hätte mein Versprechen halten können.«
»Und ich wünschte, das Schicksal hätte mir meine Entscheidung nicht abgenommen. Alles, was uns noch bleibt, ist dieser Traum.« Sie wartete darauf, dass er etwas sagte oder etwas tat, doch Nuramon zögerte. Sie wäre ihm längst entgegengekommen, wenn er es nicht all die Jahre vermieden hätte, sie zu berühren. Es war an ihm zu entscheiden, das würde sie ihm nicht abnehmen.
Als er die Bänder ihres Nachtgewands zwischen ihren Schultern löste, atmete Noroelle erleichtert aus. Endlich hatte er diesen Schritt gewagt! Er schaute ihr unverwandt in die Augen. Der Schrecken der Menschenwelt hatte Nuramon verändert, er machte einen ernsteren Eindruck.
Ihr Nachthemd glitt an ihrem Körper zu Boden.
Nuramon senkte den Blick.
Das hatte sie nicht erwartet. Gewiss, er mochte neugierig sein, wie ihr Körper, den er so oft besungen hatte, wirklich aussah, aber war der Blick nicht zu rasch gefallen? Dann dachte sie daran, was er gesagt hatte. Er musste bald fort. Ihnen blieb kaum Zeit. Und nichts wäre schlimmer, als im falschen Moment voneinander getrennt zu werden.
Er schloss sie in die Arme und flüsterte in ihr Ohr: »Verzeih mir. Ich bin nicht mehr der, den du gekannt hast. Es ist schwierig für mich, hier zu sein. Ich bin nur ein Schatten desjenigen, der ich einst war.«
Noroelle schwieg; sie wollte nichts darauf sagen. Auch wagte sie nicht, sich vorzustellen, was Nuramons Preis dafür sein mochte, dem Tod die wenigen Momente hier mit ihr abzuringen. Sie machte einige Schritte zurück und wartete.
Nuramon zog sich aus. Irgendetwas stimmte nicht… Sie musterte ihn. Es lag nicht an seinem Körper, dieser war makellos. Sie erinnerte sich, was die Frauen bei Hof gesagt hatten. Manche von ihnen hatten sich eine Liebesnacht mit ihm gewünscht. Jetzt, da er sich ganz vor ihr entblößte, konnte Noroelle mehr denn je verstehen, wieso diese
Weitere Kostenlose Bücher