Die elfte Geißel
könnten sogar eine Szene mit dir hinzufügen. Aber mit vertauschten Rollen. Du bist der Tatverdächtige, und die Mädchen werden dich einem Verhör unterziehen, das du deinen Lebtag nicht vergessen wirst. Ist das keine tolle Idee?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Du machst meine Arbeit immer schlecht. Dabei bin ich der Beste in meinem Metier. Intellektuell, sexy, chic. Wir drehen gerade eine Adaption. L’extension du domaine de la pute im Stil von David Lachapelle. Bei der Unmenge von Pornofilmen, die im Umlauf sind, müssen wir was Neues machen. Weil es ...«
Broissard hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. MP zuckte mit den Schultern.
»Okay, okay«, gab er klein bei. »Ich weiß, du wirst mir sagen, ich rede zu viel. Aber gleichzeitig schätzt du das doch bei deinen Spitzeln, oder? Also schieß los.«
Der Polizist seufzte und hielt MP das Blatt hin, das Judith Fogeti ihm gegeben hatte.
»Ich will wissen, ob du etwas darüber gewusst hast.«
Digler verzog das Gesicht, als er die Zahlen und sonst nichts sah.
»51117 und 22139. Ich war gut in Mathematik, habe allerdings nie die Fields-Medaille bekommen. Was ist das?«
»Laut meiner Quelle handelt es sich um einen Code, der zu dem Ort führen soll, wo die Filme herkommen, die nur unter der Hand vertrieben werden.«
»Ich habe flüchtig von dieser Geschichte gehört. Aber ich habe kein Wort davon geglaubt. Das ist die Art von Gerüchten, die kursieren, ohne dass irgendjemand wirklich weiß, wovon er spricht. Ein Typ hat mir gesagt, ein anderer Typ hätte ihm gesagt ... Ein bisschen wie Flüsterpropaganda.«
»So weit bin ich auch schon«, murrte er enttäuscht.
Digler zögerte. Er bemerkte Broissards Verärgerung, und so seufzte er:
»Schön, hör zu, vor etwa fünf Jahren hat mich ein Kerl aufgesucht, um mir einen ... mmmh ... sagen wir etwas dreckigen Film anzudrehen.«
»Davon hast du mir nie etwas erzählt.«
»Ein Spitzel muss einige kleine Geheimnisse für sich behalten können, um sein Geschäft zu schützen ... kurzum, ich habe den Verkäufer gefragt, woher der Film kommt, und er wollte mir nicht antworten. Ich habe ihm gesagt, dass ich seinen Film nicht kaufen würde, wenn ich nicht wüsste, wer ihn produziert hat. Er hat mir die gleiche Flüsterpropaganda aufgetischt, aber hinzugefügt, wer hinter alldem steckt.«
Luc war plötzlich ernst geworden. Seine Mundwinkel zuckten nervös.
»Wer?«
»Schwör mir, dass du nie verraten wirst, wer dir diesen Tipp gegeben hat.«
»Sag schon, wer?«
»Jésus Miguel Montoya.«
Broissard nahm die Äußerung ohne sichtbare Regung auf. Jésus Miguel Montoya. Der Schutzpatron der kolumbianischen Kartelle. Weder Zufall noch Koinzidenz. Eine goldene Regel. Er wusste nicht genau, wohin ihn diese Information führen würde, doch er wusste jetzt, zu wem.
Er beruhigte Digler. Niemand würde etwas von dieser vertraulichen Mitteilung erfahren. Bevor er ging, ließ der Capitaine seinen Blick über die Porträts gleiten, die an die Wand gepinnt waren. Gezwungenes Lächeln. Verführerische Blicke. Junge Mädchen, die gerade die Pubertät hinter sich hatten, schienen davon zu träumen, der nächste Pornostar zu werden. Eines von ihnen verwirrte ihn.
»Ich habe dieses Mädchen schon mal irgendwo gesehen«, sagte er, auf das Foto deutend.
»Eine echte Kanone, was? Vor ein paar Monaten kam die Kleine zu einem Casting. Aber irgendetwas hat mit diesem Mädchen nicht gestimmt. Es stellte zu viele Fragen, so, als würde es etwas suchen. Ich ...«
»Ich muss los, Luc«, unterbrach ihn Broissard. »Falls wir uns nicht wiedersehen sollten, möchte ich mich bei dir bedanken. Danke für alles.«
»Gern geschehen.«
Beim Durchqueren des Lofts sah der Polizist die beiden Blondinen, die sich zärtlich umschlangen; sie streichelten sich gegenseitig die Brüste und bearbeiteten sich abwechselnd mit dem Godemiché.
Draußen schwankten die Bäume im Wind. Über ihm der Hügel von Montmartre. Der Mont des Martyrs. Der Ort, an dem der heilige Dionysius den Märtyrertod gestorben war. Ein passender Ausgangspunkt für seine Nachforschungen, dachte Broissard.
Er öffnete den Kofferraum seines Wagens. All seine Sachen lagen dort aufgeschichtet. Er suchte eine öffentliche Toilette auf und wechselte das Hemd, wobei er sich Zeit ließ. Er sah auf die Uhr. Er hätte schon im Gericht sein müssen, wegen seiner Vorladung. Das machte nichts. Er wusste ganz genau, was passieren würde.
In knapp einer Stunde würde der Richter
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