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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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sich vor ihr auf und stammelte:
    »Genug Ärger für heute ...«
    Sie richtete sich auf und begann wieder zu schluchzen, während sie auf den Absätzen zum Schreibtisch strauchelte. Schnaubend schloss sie eine Schublade auf und warf mit einer wütenden Geste den Rest der Papiere auf den Boden. Am ganzen Körper zitternd, hielt sie ihm ein zerknülltes Blatt hin. Er riss es ihr aus der Hand.
    »Was ist das?«
    »Ich weiß es nicht mehr ... ich habe es unter den persönlichen Sachen von Gaspard gefunden. Er hat es mir nie erklärt ... er hat mir nur gesagt, dass die Filme von dort kommen ... Filme von der Art, die Sie suchen.«
    Unverwandt starrte ihn Judith Fogeti an.
    »Sie ... Sie haben ihn verraten ... Ihretwegen wurde er umgebracht.«
    Tut mir leid. Tut mir leid. Tut mir leid.
    Er atmete die Luft der Straße ein und gab sich einige Sekunden dem Rausch des Tageslichts hin. Er musterte sein verschwollenes Spiegelbild in einer Scheibe seines Autos. Was er sah, betrübte ihn. Eine grimassierende Maske. Dämonen von jenseits der Erinnerung zeichneten sich als vage Silhouetten ab und ließen sich in den Falten auf seiner Stirn, den Ringen unter seinen Augen nieder. Das ist nur der Anfang, dachte er.
    Er ließ den Motor aufheulen und warf einen Blick auf das Blatt, das ihm Judith Fogeti gegeben hatte:
    51117
    22139
    Das Auto fuhr los. Die menschenleere, von Leuchtschildern gesprenkelte Rue Saint-Denis verlief schnurgerade. Er beschleunigte. Die Fassaden verflüssigten sich, die Neonleuchten wurden zu verschwommenen Linien, die Wörter SEX und VIDEO wurden verzerrt und zerplatzten in bunte Flecken.

27
Paris,
Loft von UZI PROD,
Sondereinheit
    Die Produktionsräume befanden sich im obersten Stockwerk eines schäbigen Gebäudes mit wackligen Fenstern und abblätterndem Verputz. Eine Zeitblase, die sich seit dem 19. Jahrhundert nicht verändert hatte.
    Broissard eilte in großen Sprüngen die schmale Treppe hinauf und gelangte in einen purpurfarbenen Flur, der zur einzigen Tür auf dieser Etage führte. UZI PROD in Großbuchstaben. Ohne anzuklopfen, trat er ein.
    Die Zwischenwände waren eingerissen worden, sodass die Wohnung zu einem hellen, luftigen Loft geworden war. Im größten Teil des Raumes stapelte sich Filmmaterial. Rechter Hand begrenzten ein langer Tisch und mannshohe Spiegel die Schminkecke. In der Mitte waren zwei Kameras auf ein riesiges Bett in knalligen Farben gerichtet.
    Techniker schalteten Scheinwerfer an, die um das Bett herum standen, und stellten die Helligkeit ein, und eine Requisiteurin verstreute letzte Rosenblätter ringsherum. In ihre Aufgabe versunken, beachteten sie Broissard nicht weiter. Er ging den Geräuschen nach, die aus einem Nachbarzimmer kamen.
    An den Wänden hingen Drehpläne, Fotos vom Set und Castingzettel. Bei dem Fenster, das auf Sacré-Coeur ging, instruierte ein nervöser kleiner Mann mit graumeliertem Haar mit ausladenden Gesten zwei junge Blondinen in Strapsgürteln. Die größere der beiden hatte einen Godemiché umgeschnallt, der grotesk zwischen ihren Schenkeln baumelte.
    »Ich weiß, dass du nicht lesbisch bist! Ich verlange von dir ja nur, dass du sinn-lich bist! Du musst sie nicht wie ein Rennpferd reiten! Und du, kannst du nicht etwas realistischer stöhnen? Es soll dir Spaß machen! Los, lass mich deinen Orgasmus hören.«
    »Aaaahhh aah ooohhhh.«
    Luc Digler war im Pornomilieu unter dem Spitznamen »MP« bekannt. Diesen Spitznamen verdankte er dem Umstand, dass er nicht stillsitzen konnte, und seinem Hang zu Monologen, die wie aus der Pistole geschossen kamen. Das war auch der Grund, weshalb er seine Produktionsfirma UZI genannt hatte.
    »Willst du mich verarschen? Das hört sich an wie eine Kreuzung aus Pavarotti und einem Pudel! Du sollst nicht brüllen! Du musst die Lust ansteigen lassen. Hör zu: AAAAHHH, dann wirst du leiser, aaaaah, und du explodierst ... AAAAaaaahhhhh ...«
    Luc Digler brach seine Regieanweisungen unvermittelt ab, als er Broissard erblickte. Er fing sich wieder und bedeutete den beiden Mädchen, sich im anderen Zimmer aufzuwärmen.
    »Ich habe ihnen Regieanweisungen gegeben.«
    »Das habe ich gehört«, antwortete ihm Broissard schmunzelnd.
    »Hast schon lange nicht mehr vorbeigeschaut.«
    Digler erblickte die Spuren der Schläge.
    »Mensch, wer hat dich denn so zugerichtet? Bist du okay?«
    »Mir ist es schon mal besser gegangen.«
    »Willst du ein Mädchen, um dich zu entspannen? Ich leih dir die beiden Puppen, wenn du Bock hast. Wir

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