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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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herunter und äußerte:
    »Ihr wisst ... ich habe nie ein Kind angerührt ... weshalb tut ihr das?«
    Maxime sah Jean-François Rilk an und wusste, dass er keine andere Wahl hatte, als Caillois zum Schweigen zu bringen. Er konnte den ersten Schlag nicht zurückhalten.
    Beim Kontakt mit dem Körper zündete ein elektrischer Funken hinter seinen Augen und breitete sich in seinen Gliedmaßen, seinen Muskeln, seinen Organen aus. Das dumpfe Knacken der Knochen versetzte ihn in einen Rausch, einen Strudel wirrer Gedanken. Er zertrümmerte ihm glatt den Nasenrücken, und aus der Wunde floss Blut, die das Gesicht benetzte. Scharlachrote Partikel explodierten in Feuerwerken, sprengten Schlösser auf, die letzten Fesseln seiner Gewalttätigkeit. Glühende Kohlen unter seiner Haut. Er wollte nichts wissen. Er wollte nicht auf die Fragen antworten, die auf ihn einstürzten. Er sah sich auf einer Straße stehen, auf der weißen Linie balancierend, inmitten einer riesigen Karambolage, überstrichen von zahllosen Scheinwerfern, gestreift von Karosserien in einem Gewitter von verzweifelten Bremsmanövern. Er wich dem »Warum« aus. Er wollte, dass der Mann schwieg. Die Stille zähmen.
    Er fand die Kraft, zurückzuweichen. Kommissar Rilk stürzte sich in die Bresche. Sein Fuß trat gegen den Backenknochen des Gefangenen, in einem dumpfen Geräusch von zerfetztem Fleisch. Er packte Étienne Caillois am Kragen, zerrte ihn in eine Kabine und ließ die reglose Masse vor Schmerzen aufstöhnen. Er beugte ihn über die Klosettschüssel und tauchte seinen Kopf ein.
    »Sprich nicht noch einmal über uns, egal mit wem. In deinem eigenen Interesse, kapiert!«
    Jean-François Rilk ließ den wie leblosen, schlaffen Körper in der Kabine liegen und knallte die Tür hinter sich zu.

49
Nordsee,
Sondereinheit
    Der Magen hatte sich ihm umgedreht.
    Sein Bauch war hart, von der Angst wie festgeschraubt.
    Die jodhaltige Meeresluft brachte ihm keine Erleichterung.
    »Du bleibst hier und gibst mir Deckung. Wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin, rufst du Verstärkung. Du gibst ihnen die Koordinaten durch und machst dich aus dem Staub«, rief Broissard.
    Sie hatten den Überraschungseffekt auf ihrer Seite, aber die Chance, diesen Schlupfwinkel heil zu verlassen, war sehr gering. Carrère ließ Broissard vor der Eingangstür zurück und ging um das Gebäude herum. Der Capitaine zählte bis dreißig und ließ dabei den Blick über das Meer schweifen. Er stürzte Hals über Kopf los, die rechte Hand hinter dem Rücken an seiner Pistole.
    »POLIZEI!«
    Die drückende Kälte im Inneren des Hangars wirkte wie ein Schwall reinen Sauerstoffs. Broissard zog seine Waffe und richtete sie auf die Gestalten. Sein gestreckter Arm beschrieb Halbkreise.
    »HÄNDE HOCH! POLIZEI!«
    Seine eigene Stimme, die viel schriller klang, als ihm lieb war, verriet ihn. Die vier Männer vor ihm blieben, mit Kartons in den Händen, stehen.
    »HÄNDE HOCH, SAG ICH!«
    »Du machst einen Fehler, Alter ...«, äußerte der Mann, der ihm am nächsten stand.
    »HALT’S MAUL! Wo sind die anderen? WO SIND DIE ANDEREN?«
    Er hatte einen Krampf im Arm. Die Hand mit der Waffe zuckte.
    »WO SIND DIE ANDEREN?«
    Als Antwort hörte man nur ein metallisches Klacken hinter einem Stapel Kartons. Broissard wurde bleich, zielte blindlings in die Richtung, aber der Kolben, der durch den Schweiß ganz schlüpfrig geworden war, glitt ihm aus der Hand. Seine Glock fiel auf den Beton. Er hatte das Gefühl, sich von innen heraus aufzulösen.
    Ein Knall zerriss die Stille.
    Das Echo hallte immer schwächer wider.
    Ein Funkenschlag landete direkt vor seinem Gesicht.
    Er ließ sich gehen und spürte, wie er zu schweben begann und seine Ängste abstreifte.
    Der zweite Schuss hallte nicht so laut wider – er war kurz und endgültig. Broissard hatte das Gefühl, sein Körper würde durch Krämpfe wiederbelebt. Herzflimmern. Adrenalinstoß. Gleichmäßiger Puls. Speichel troff ihm aus dem Mund.
    Aus dem Nebel ertönten Schreie. Er fuhr sich mit der Hand an den Hals. Keine Verletzung. Er tastete mit der Hand den Betonboden ab und packte seine Waffe. Auf den Pistolenlauf gestützt, gelang es ihm mit Mühe, aufzustehen. Ganz verschwommen erkannte er die Silhouette von Carrère, der sechs Männer dazu zwang, die Hände auf dem Rücken, auf die Knie zu gehen.
    »Ich habe ihn erwischt, Chef. Sie ... Sie ...«, sagte ihm Carrère, der am ganzen Leib zitterte.
    Broissard wollte sprechen. Vor Anstrengung

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