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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auf der Bank am Fenster.
    »Einen Teil, Pater. Ist die Aussage im Turm gemacht worden?«
    »Ja, und die Wachen werden die Angelegenheit untersuchen. Der Medikus hat uns in das Haus des Toten begleitet. Er untersuchte den Schreinemaker und stellte fest, dass er durch den Bruch eines Halswirbels zu Tode gekommen ist.«
    »So gibt es denn das ausgleichende Schicksal.«
    »Könnte man glauben. Ihr, Begine, habt Euch des Jungen angenommen, und ich vermeinte, ihn eben in seiner Werkstatt arbeiten zu sehen. Es hat also keinen Anfall bei ihm ausgelöst?«
    »Nein, Pater. Doch vor geraumer Zeit hatte er einen, und dieser scheint ihn zu einer erstaunlichen Erkenntnis geführt zu haben. Als Ihr fortgegangen seid, führte er mich in Claas’ Schlafkammer und zeigte mir … Vater Theodoricus, es ist grauenvoll. Es ist so grauenvoll …«
    Sie schüttelte sich noch einmal bei der Erinnerung an die Büsten.
    »Frau Almut, was habt Ihr gefunden?«
    »Ja, Begine, was? Ihr seid weiß wie die Wand.«
    »Er hat sie als Reliquiare geschnitzt. Es ist teuflisch, Pater. Ein jedes Mädchen hat er als Ursulareliquiar dargestellt. Vermutlich suchte er den vollkommenen Behälter für ihre Heiligkeit. Und die Büsten jener, die ihn enttäuschten, hat er noch in seiner Kammer, die Gesichter zur Wand gedreht.«
    »Allmächtiger!«, stieß der Abt hervor, und der Pater legte der Begine die Hand auf die Schulter.
    »Wahrhaft dämonisch, da habt Ihr Recht. Wie kam der Junge da dahinter?«
    »Er schnitzte... Nun ja, Pater, er schnitzte wohl mein Gesicht.«
    »In der Tat.«
    »Dabei muss ihm der Zusammenhang aufgegangen sein - geschnitzte Gesichter, tote Mädchen. Er hatte einen Anfall, aber danach wusste er Bescheid.«
    »Der arme Junge! Dann wusste er es schon seit beinahe drei Wochen.«
    »So lange schon? Wahrlich, der arme Junge. Er denkt, er hat große Schuld auf sich geladen, weil er nicht darüber gesprochen hat. Habt Ihr den Anfall mitbekommen?«
    »Nein, Begine. Aber er schenkte mir, bevor ich abreiste, das besagte Schnitzwerk.«
    »Das Bündelchen, das du so sorgsam in die Satteltaschen legtest, Ivo?«, wollte der Abt wissen. »Was enthielt es? Ich bin an allen Arbeiten Bertrams außerordentlich interessiert.«
    Pater Ivo schenkte seinem Oberen einen seltsamen Blick, dann aber stand er auf und erbot sich, die Figur zu holen.
    Sie war, wie die ihre, in ein sauberes Leinentuch gewickelt, und als er es entfernte, sog Theodoricus hörbar die Luft ein.
    »Die himmlische Rose, ohne Zweifel. Meisterlich die Form und die Eigenschaft des Holzes ausgenutzt, säuberlich gearbeitet, und dennoch höchst ungewöhnlich.« Er hob seinen Blick von der Statue und sah Almut mit einem belustigten Kopfschütteln an. »Noch nie erblickte ich so viel Mutwillen im Antlitz der Madonna. Und doch strahlt sie die Euch eigene Warmherzigkeit aus. Wohin schaut sie nur?«
    Almut, die mit wachsendem Staunen die Mariengestalt gemustert hatte, griff nun zu dem Bündelchen neben sich und entfernte vorsichtig das Leinen.
    Sie stellte den heiligen Josef neben Maria, und siehe, die Falten seines linken Ärmels passten sich fugenlos in die Falten ihres Gewandes ein. Und so standen nun beide Statuen nebeneinander, die goldgelbe und die silbrig graue. Der Mann hatte den Arm um die Frau gelegt, sie schaute schalkhaft lächelnd zu ihm auf, er mit einem verständnisvollen Zwinkern zu ihr nieder.
    »Ein anmaßender Bengel!«, grollte Pater Ivo. »Und doch... Begine, er hat vollständig Euren zweifelhaften Charakter erfasst: diese bodenlose Respektlosigkeit, diese unbezähmbare Spottlust und diese Missachtung jeglicher männlichen Autorität.«
    »Ja, Pater!«, stimmte Almut ihm mit großer Herzlichkeit zu. »Genauso, wie er Euer hornhäutiges Wesen erfasst hat: diese unbeugsame Haltung, diese besitzergreifende Geste und dieser Blick hinab auf jene, die Euch unterlegen dünken.«
    »Er ist ein noch größerer Künstler, als ich annahm«, stellte der Abt nach einer bewundernden Pause fest. »Ich verstehe noch immer nicht, wie er zwei derart widersetzliche Figuren so passend aneinanderfügen konnte.«
     
    Es war schon Zeit zur Komplet, als Almut von Lodewig an die Pforte des Beginenhofes gebracht wurde. Von dem Abt und dem Pater hatten sie sich bald verabschiedet, denn die beiden hatten noch vielerlei Angelegenheiten zu bereden.
    »Das da ist für dich abgegeben worden. Von einer Magd deiner Mutter!«, sagte Mettel, als sie das Tor hinter sich schloss. »Und der Herr Gauwin vom Spiegel

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