Die elfte Jungfrau
sein. Wenn du später Zeit findest, sprich Lena doch auf ihn an.«
»Ich gehe morgen zu ihr.«
»Wie du möchtest.«
Magda übersah Almuts Kühle und berichtete dem Pater von den Arbeiten am Hungertuch.
»Ich bin sicher, die Stickereien werden pünktlich zur Fastenzeit fertiggestellt sein.«
»Das ist befriedigend.«
»Und nun, Pater, gedenke ich, diese Feier zu verlassen. Ich sehe, auch Gertrud hat genug von dem Gejohle und den wilden Späßen.«
Es waren tatsächlich drei Musiker aufgetaucht, die sich anschickten, mit Drehleier, Trommel und Flöte zur Unterhaltung beizutragen.
Almut wollte sich ebenfalls erheben, aber mit ungewohnter Festigkeit befahl ihr die Meisterin: »Halte du ein Auge auf Bela und Mettel.«
»Aber ich wollte...«
»Bitte, Almut!«
»Natürlich, Magda.«
»Gehorcht Eurer Meisterin, Begine, denn Ihr wisst doch, was der Prediger kündet: ›Es ist besser, das Schelten des Weisen zu hören als den Gesang der Toren.‹«
»›Doch stirbt der Weise samt den Toren!‹, Pater. Und den Gesang muss ich hier zu der Schelte ertragen!«, giftete sie zurück.
»Ihr seid missgestimmt?«
Almut nahm eine schmalzgebackene Pastete und betrachtete sie, bevor sie hineinbiss. Sie fühlte sich nicht besonders wohl in ihrer Haut. Maria hatte ihr nicht genügend Kraft gegeben, einen festen Panzer um ihr Herz zu schnüren. Darum wäre sie der Gegenwart des Paters lieber entflohen. Zudem bemerkte sie, dass er aus irgendeinem Grund ebenfalls düsterer Laune war, auch wenn er es den Gästen gegenüber verbarg.
»Ich bin nicht missgestimmt, Pater, nur - ach, besser, Ihr achtet nicht auf mich!«
»Der ansehnliche Schmied ist nun in festen Händen. Ist es das, was Ihr bedauert?«
Überrascht sah Almut hoch.
»Der Simon? Ich gönne ihm sein Glück. Warum sollte ich seine Heirat bedauern?«
»Ihr hattet, so erinnere ich mich, Wohlgefallen an ihm gefunden.«
»Blödsinn!«
»Nun, dann schaut guten Mutes in die Zukunft, Begine. Ich bin sicher, der Mann, den Euer Vater für Euch ausgewählt hat, wird Euch zufrieden stellen.«
»Glaubt Ihr?«, fauchte Almut, nicht zum ersten Mal zornig darüber, wie verschiedene Männer versuchten, ihr Leben zu bestimmen. »Nur gut, dass Pater Leonhard mit ihm darüber sprechen will!«
»Pater Leonhard?«
»Unser Pfarrer ist aus Bonn zurückgekehrt, das erwähnte ich doch schon.«
»Und nun bereitet er Eure Eheschließung vor?«
Es hörte sich wahrhaftig etwas verbittert an, und in Almut erwachte so etwas wie ein Häuchlein Mutwillen.
»O nein, Pater. Er wird versuchen, meinem Vater die Vorzüge von Ehelosigkeit und Keuschheit verständlich zu machen.«
Unvermittelt hob sich die dunkle Wolke um den Benediktiner, und er fragte mit einem seltsamen Grollen in der Stimme: »Ihr glaubt wahrhaftig daran, Ihr könntet ein eheloses und keusches Leben führen?«
»Das tue ich, Pater Ivo, seit mein Gatte verstarb!«
»Ehelos wohl, aber Keuschheit zeigt sich nicht nur in Taten, sondern auch in Worten und Gedanken. Und Ihr habt mit dem Schmied geliebäugelt!«
Almut bekam heiße Wangen und wandte sich ihrer Pastete zu. Richtig, sie hatte unkeusche Gedanken gehegt. Ziemlich unkeusche, wenngleich sie sich nicht auf den Schmied bezogen. Dennoch knurrte sie: »Ich habe meine Sünden Pater Leonhard gebeichtet! Und nun entschuldigt mich, ich will mich mit Frau Lena über jenen Schreinschnitzer unterhalten, wie Magda wünschte!«
Sie stand auf, durchquerte den Raum und gesellte sich zu der kichernden Gruppe, deren Mittelpunkt Pitter bildete.
»Ich bin schließlich ein Mann, der an seinen Magen denken muss!«, beendete der Pitter gerade eine kleine Anekdote aus seinem abwechslungsreichen Leben in den Gassen der Stadt, und die Fidgin kicherte: »Dass du ständig an deinen Magen denkst, merkt man im Unterricht. Aber woran willst du erkennen, dass du ein Mann bist?«
»Na, das zeige ich dir hier besser nicht. Aber wenn du mal mit hinter die Scheune kommst...«
»Hach, mein Kleiner, ich hab’ schon mehr als einen Jungen an die Wand pinkeln sehen!«
»Ich hatte da an eine andere Betätigung gedacht. Aber davon hast du ja wohl keine Ahnung!«
»Aber du?«
»Der Pitter hat schon mal eine Freundin gehabt!«, platzte ein kleines, mageres Mädchen in die Unterhaltung und stellte sich in einer komischen Schutzgebärde vor den Päckelchesträger. Sie mochte neun oder zehn Jahre alt sein, hatte das gleiche aschblonde Haar wie er, zu zwei Zöpfen aufgebunden, und war ihm auch ansonsten nicht
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