Die elfte Jungfrau
wer es sein könnte. Lissa und Fidgin waren offensichtlich eingesprungen, um den Mägden des Hauses zu helfen, Körbe mit Brot zu verteilen, Becher nachzufüllen und verschüttete Getränke aufzuwischen.
Wer nicht unter den Gästen war, war Pater Ivo. Franziska, die mit einer Platte maronengefüllter Fasane an den Tisch trat, fragte mit milde hektischem Blick: »Seid Ihr zufrieden, oder mangelt es Euch an etwas?«
Magda antwortete ihr in ihrer ruhigen, gesetzten Art: »Keine Sorge, es ist wirklich alles vom Feinsten. Wenn man bedenkt, dass wir Februar haben... Dieses Essen ist mindestens der Tafel des Erzbischofs würdig. Aber nun lasst es doch gut sein, Franziska. Setzt Euch und genießt Eure Feier.«
»Aber ich muss...«
Almut packte die Widerstrebende am Ärmel.
»Ihr müsst Euch heute nur bedienen lassen. Dafür sind die Mägde doch da. Und auch Euer Gatte sollte an Eurer Seite hier sitzen.«
Simon füllte unablässig Getränke aus den Fässern in die Krüge und wehrte die derben Bemerkungen ab, die sich auf seinen neuen Stand als Ehemann bezogen. Ihm wurden reichliche und zumeist äußerst zotige Bemerkungen über die Erfüllung seiner Pflichten zuteil, die von der Gesellschaft mit brüllendem Gelächter honoriert wurden.
Franziska wurde von einem anderen Tisch gerufen und machte sich von Almut los, um nach den Wünschen der Gäste zu fragen.
»Kribbelig wie ein Floh im Katzenpelz«, stellte Almut fest. Sie hatte gehofft, die Wirtin in ein Gespräch verwickeln und nach der jungen Stiftsdame fragen zu können. Aber derzeit war das nicht möglich. Sie seufzte leise.
»Nach dem nächsten Gang ist hoffentlich der Höflichkeit Genüge getan!«, murmelte Magda, die nur ein wenig in ihrer Eierspeise gestochert hatte. »Das wird bald in ein wüstes Gelage ausarten.«
»Bei dem Verbrauch an Wein, Met und Bier ist das zu erwarten!«, stimmte Almut ihr zu. Auch sie hatte nicht vor, länger zu bleiben. Die Unterhaltung mit Franziska würde warten müssen.
In diesem Moment verstummte plötzlich das Gejohle. Simon stellte den halb gefüllten Krug auf die Theke, schnappte sein Weib am Arm und schob es dem Ankommenden entgegen.
Pater Ivo, jetzt wieder in seiner üblichen schwarzen Tracht, betrat die Schankstube.
Almut beobachtete, wie die Wirte ihn mit großer Achtung begrüßten und dann zu dem Tisch lotsten, der den Ehrengästen vorbehalten war.
»Also gut, nach dem übernächsten Gang!«, seufzte Magda ergeben. Zu Almut gewandt, meinte sie: »Aber du musst dich nicht gezwungen sehen, dich mir anzuschließen. Schließlich hast du dich ja seinerzeit mit Franziska angefreundet.«
»Machst du mir das irgendwie zum Vorwurf?«
»Nein, nein, ich dachte nur...«
»Ich werde dich begleiten.«
»Und Pater Ivo wird sich auch wohler fühlen, wenn du an seiner Seite bleibst!«
»Glaube ich kaum!«
Mehr konnte Almut nicht widersprechen, denn schon nahm der Benediktiner neben ihr Platz. Wie üblich war seine Miene ernst, auch wenn er dem Brautpaar mit freundlichen Worten dankte und die Beginen höflich begrüßte. Er nahm schweigend etwas von den gereichten Speisen und trank einen Becher Wein, während die Gespräche ringsherum wieder an Lautstärke zunahmen und auch die Bemerkungen erneut an Derbheit gewannen.
Magda wandte sich interessiert an ihn und fragte nach, ob er zwischenzeitlich den Reliquienhändler aufgesucht habe.
»Ich tat es. Und Ihr, Begine, könnt Eurer Schwester ausrichten, dass er uns mit einer erfreulichen Auswahl an Knochen dienen konnte.«
»Das ist gut zu wissen, denn, Pater, auch wir erwägen, in unserer neuen Kapelle vielleicht eine solche Reliquie unterzubringen.«
»Sie wird Eure einfachen Seelen erquicken!«
Almut blinzelte misstrauisch aus den Augenwinkeln zu dem Pater hoch, aus dessen Mund sie diese Äußerung ungewöhnlich fand. Doch er schien vollkommen ernst zu sein.
»So dachte ich auch!«, bestätigte Magda ihm trocken.
»Der Händler hat uns auch einen Schreinschnitzer vermittelt. Er stellt, wie es heißt, sehr ansehnliche Reliquiare her, in die man die heiligen Gebeine hineinlegen kann.«
»Wer ist es, Pater Ivo?«
»Er nennt sich Claas Schreinemaker. Wie ich sehe, weilt er sogar unter den Gästen.«
Er wies auf den Mann neben Bertram. Almut fiel wieder ein, wo sie ihn getroffen hatte - nämlich am vergangenen Sonntag vor dem Rathaus. Er war mit dem jungen Parler und Sanna beisammen gewesen. Magda musterte ihn kurz und meinte zu ihr: »Er scheint mit dem Jungen bekannt zu
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