Die elfte Jungfrau
etwas. Obwohl er gelegentlich recht ernüchternde Feststellungen trifft.« Sie zwinkerte ihm zu. »Die Ihr wiederum vermutlich durchaus bekömmlich findet!«
»So, glaubt Ihr?«
»›Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein Gottloser, der lebt lange in seiner Bosheit.‹«
Der Benediktiner knurrte: »Was hat Euch Meister Krudener über mich erzählt?«
»Dass Ihr flink im Geiste seid. Und er hat Recht. Verzeiht, Pater.«
Ein tanzendes Paar, es war Lissa, die ausgelassen von Claas Schreinemaker um ihre eigene Achse gedreht wurde, stolperte gegen den Tisch und brachte ihn fast zum Umstürzen. Die Musikanten fiedelten lauter, die Trommel dröhnte, und grölend fielen die Gäste in den Refrain des Liedes ein.
»Winkt Eure beiden Gefährtinnen herbei, wir wollen das gastliche Haus verlassen, Begine.«
»Das zumindest ist ein guter Vorschlag.«
Almut hatte etwas Mühe, Bela und Mettel zum Mitgehen zu überreden, denn die beiden Beginen hatten dem Met kräftig zugesprochen und waren auf dem besten Weg, jegliche Vorsätze von Mäßigkeit, Demut und Keuschheit zu vergessen. Doch es gelang ihr, sie von den Köstlichkeiten der Tafel und den ihnen durchaus nicht abgeneigten Wilddieben abzubringen und sie an ihren Stand zu erinnern. Mit ein wenig beschämten Mienen, denn Almut hatte deutliche Worte verwendet, schwankten sie hinter ihr her, um sich von Franziska zu verabschieden. Pater Ivo wies ihnen mit nachdrücklicher Gebärde den Weg zur Tür. Almut hingegen wurde von der Braut aufgehalten.
»Müsst Ihr wirklich schon gehen, Almut? Die Feier hat doch eben erst begonnen!«
»Franziska, Ihr wisst, wir sind fromme Frauen, und es geziemt sich nicht für uns, an solch weltlichen Festen im Übermaß teilzuhaben. Aber ich verspreche Euch, ich schaue in den nächsten Tagen einmal bei Euch vorbei.«
»Nun gut, ich sehe ein, Euer graues Kleid passt genauso wenig hier hinein wie die schwarze Kutte des Paters. Dabei könnte er in einem weltlichen Gewand besser aussehen als manch andere hier. Meinem Gatten natürlich ausgenommen.« Plötzlich kicherte sie. »Wir haben hin und wieder einen aus seinem Orden hier zu Gast, der seinen Schoppen trinkt. Der kleidet sich wie ein rechter bunter Vogel!«
»Oh, Bruder Jakob.«
»Ihr kennt ihn?«
»Ich bin ihm vor einigen Tagen bei Meister Krudener begegnet. Ob sein Abt wohl weiß, wie er sich aufputzt?«
»Verratet ihn nicht an Pater Ivo, Almut. Er ist ein umgänglicher Kerl, und warum soll ein Mönch nicht auch ein wenig Spaß am Leben haben?«
Almut lag eine äußerst passende Bemerkung des Predigers dazu auf der Zunge, die etwas mit der Eitelkeit zu tun hatte, doch sie schluckte sie herunter.
»Nun, wenn er den hier hat... Was mich auf eine ernstere Frage bringt, Franziska, die ich Euch schon die ganze Zeit stellen wollte. Hat sich das hasenzähnige Mädchen, von dem Ihr neulich berichtet habt, hier eigentlich mit jemandem getroffen?«
»Das entlaufene Nönnchen?«
»Stiftsjungfer, was aber keinen großen Unterschied macht.«
»Nein, sie war nur einmal hier, hat eine Weile auf der Bank da drüben gesessen und ist dann wieder hinausgeschlichen. Ich denke, sie hat auf jemanden gewartet, der nicht kam.«
»Oder der kam und ihr ein Zeichen gegeben hat zu gehen?«
»Kann ich nicht sagen, Almut. Warum wollt Ihr das wissen?«
»Weil das Mädchen tot ist.«
Franziska schlug sich die Hand vor den Mund.
»Sie ist nach einem ihrer Ausflüge wohl über die Immunitätsmauer geklettert und hinuntergefallen.«
»Ach, heilige Sankt Martha, wie furchtbar.«
»Wer war denn an jenem Tag noch hier? Erinnert Ihr Euch?«
»Nicht viele, zwei Kutscher, ein Herr, der wartete, bis Simon sein Pferd beschlagen hatte, drei Tischlergesellen, ein Seilmacher vom Hafen und - äh - der Bruder Jakob. Richtig, der war auch hier. Er ist aber lange vor ihr gegangen. Vermutet Ihr etwa...?«
Almut seufzte. Sie wollte ihre Überlegungen lieber für sich behalten. Zum Glück fanden es zwei Matronen unpassend, dass sich die Braut so lange nur dem einen Gast widmete, und schoben sich dicht an sie heran.
»Ein andermal, Franziska. Lebt wohl, und noch einmal Glück und Segen über Euch und Euren Simon.«
Sie flüchtete nach draußen, wo Pater Ivo an den Türpfosten gelehnt stand.
»Eure Begleiterinnen haben sich schon auf den Weg gemacht. Die frische Luft hat ihnen die Erkenntnis geschenkt, es könne förderlich für sie sein, so bald als möglich ihre Kammern
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