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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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aufzusuchen.«
    »Eine vernünftige Einsicht. Danke, dass Ihr gewartet habt.«
    »Den Dank habe ich mir redlich verdient. Gewöhnlich warte ich nicht auf geschwätzige Weiber.«
    »Wir haben nicht geschwätzt. Ich musste noch eine Kleinigkeit klären!«
    »Nun, gehen wir!«
    Sie hatten schweigend ein Stück des Wegs zurückgelegt, als Pater Ivo seine ungewöhnlich stille Begleiterin fragte: »Was bedrückt Euch, Begine?«
    »Ach... nichts.«
    »Doch, Ihr macht Euch Sorgen. Ist es wegen Eures Vaters?«
    »Was? Ach nein, Pater. Es betrübt mich zwar, ihn enttäuschen zu müssen, aber im Grunde glaube ich, es wird ihm nicht das Herz brechen. Peter und Mechthild, meine Halbgeschwister, sind aufgeweckte Kinder. Der Junge wird gewiss einst in seine Fußstapfen treten und das Mädchen einen aufrechten Baumeister heiraten und ihm die gewünschten Enkelkinder schenken.« Mit einem schiefen Lächeln fügte sie hinzu: »Er hat inzwischen dazugelernt, und die Männer, die er mir andienen will, werden zunehmend jünger und attraktiver! Hoffentlich findet er für Mechthild einen passenderen Gatten als für mich damals!«
    »Wenn nicht, werdet Ihr ihm sicher einen Ratschlag in dieser Richtung geben.«
    »Ich, oder vielmehr Frau Barbara.«
    »Nun, wenn das nicht Eure Sorge ist, was ist es denn?«
    Almut sah zu ihm auf und fand ehrliches Interesse in seinen grauen Augen. Aber über die unbestimmte Beklemmung, die Rigmundis’ Vision und die Nachricht über den Tod der Stiftsjungfer ausgelöst hatte, wollte sie nicht sprechen. Trotzdem war ihre Zunge schneller und überlistete sie mit der Bemerkung: »Es geht mir um Trine.«
    »Was ist mit dem taubstummen Mädchen?«
    »Sie ist schon kein Mädchen mehr, Pater, sie ist in den letzten Monaten eine junge Frau geworden. Und ich … nun ja, sie lebt bei Meister Krudener...«
    »Begine, von ihm droht ihr gewiss keine Gefahr.«
    »Ich weiß, Pater.«
    »Ihr wisst?«
    »Er sagte es mir selbst. Als er von seinem Leben als Gehilfe des maurischen Arztes berichtete.«
    »Er hat großes Vertrauen zu Euch.«
    »Ich schätze seine Freundschaft sehr. Wegen ihm sorge ich mich nicht um Trine. Aber es gibt junge Männer, und sie ist ein hübsches Mädchen. Ich habe Angst, man könnte sie missbrauchen. Trine bräuchte den Rat einer Frau, jetzt, da sie erwachsen wird. Aber sie hat keine Mutter, die ihr zur Seite steht.«
    Nachdenklich ging der Benediktiner einige Schritte weiter und blieb dann im Schatten des ausgebrannten Glockenturms von Sankt Kunibert stehen.
    »So solltet Ihr die Aufgabe wohl übernehmen, Begine. Ihr könnt Euch mit ihr verständigen, und Ihr habt ein einfühlsames Wesen. Oder fällt es Euch schwer, über diese Dinge zu sprechen?«
    »Nein, Pater. Über die Bedrohung für ihren Leib kann ich mich mit ihr verständigen, und die Natur selbst lehrt sie wohl auch schon ihren Teil. Es geht mir um ihr Herz. Ich möchte nicht, dass man ihr wehtut.«
    »Begine, die Taubstumme scheint mir ein beinahe übernatürliches Gespür dafür zu haben, wem sie trauen kann und wem nicht. Unterschätzt Ihr sie da nicht?«
    »Sicher, das Gespür hat sie, aber wenn die Verwirrung der Gefühle …«
    »Ja, natürlich. Und - ja, ich verstehe Eure Bedenken. Aber, Begine, ein Mensch, der sich im Banne jener Wirren befindet, ist sowieso keines Ratschlags zugänglich, weder in Gesten noch in Worten. Ihr könnt nur ein Auge auf sie haben und da sein, wenn sie darüber unglücklich wird.«
    Mit einem ganz vorsichtigen Lächeln zitierte Almut: »›Dies alles habe ich gesehen in den Tagen meines eitlen Lebens.‹ Ja, Pater, Ihr müsst den Prediger überaus bekömmlich finden.«
    »Eure Zunge hingegen finde ich äußert unbekömmlich, Begine!«, schnaubte der Benediktiner und setzte sich mit energischen Schritten wieder in Bewegung. Almut eilte leise schnaufend hinterher und murrte mit Maria, der Rose ohne Dornen, die ihr nicht geholfen hatte, die letzte Bemerkung für sich zu behalten.
    Pater Ivo indes bemerkte geraume Zeit später, dass die Begine nicht mehr an seiner Seite war und blieb unvermittelt stehen, um auf sie zu warten.
    »Meine ist es auch gelegentlich!«, brummte er und ging langsamer.
    »Ja, gelegentlich«, stimmte Almut ihm zu und schwieg dann, dank des Beistandes der Himmelskönigin. Erst als sie die Pforte des Beginenhofes erreicht hatten, wandte der Mönch sich wieder an sie. Mit düster zusammengezogenen Augenbrauen fuhr er sie harsch an: »Und im Übrigen, Begine, habt Ihr mich zutiefst

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