Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
Pulver die Leitern hoch, um es auf das pulsierende Drüsengeschöpf zu schmieren, hinein in die toxischen Keime, die schauerlich in den Tiefen seiner Kavernen gurgelten, und erzielten doch keinerlei sichtbaren Effekt (aber wer weiß schon, wie das Adenoid sich dabei fühlte, nicht wahr?).
    Jedenfalls war Lord Blatherard Osmo endlich wieder imstande, seine Zeit uneingeschränkt Novi Pazar zu widmen. Anfang 1939 fand man ihn im Haus einer Gewissen Viscountess, wo er auf mysteriöse Weise in einer Badewanne voller Tapiokapudding erstickt war. Manche haben hierin die Hand der Firma erkennen wollen. Monate vergingen, der Zweite Weltkrieg begann, Jahre zogen ins Land, von Novi Pazar hörte man nichts mehr. Pirat Prentice hatte das europäische Balkan-Harmageddon verhindert, von dem die alten Männer in ihren Betten geträumt hatten, berauscht von seiner Größe - wenn auch natürlich nicht den Zweiten Weltkrieg. Zu diesem Zeitpunkt freilich gestattete die Firma Pirat den Frieden nur noch in sparsamster, homöopathischer Dosierung, gerade genug, seine Widerstandskräfte wachzuhalten, doch nicht genug, ihn zu vergiften.

 [1.3] Vielleicht sind die Maedchen nicht einmal real

    Lunchzeit für Teddy Bloat, aber zum Lunch gibt's heute, äck, nur ein aufgeweichtes Bananensandwich in Wachspapier, das er in seiner eleganten Umhängetasche aus Känguruhleder zwischen sein übriges Rüstzeug gequetscht hat: eine winzige Spionagekamera, ein Fläschchen Schnurrbartwichse, eine Dose Lakritze, Meloid-Pastillen mit Menthol- und Kapsikumgeschmack für eine sanfte Stimme, eine geschliffene Sonnenbrille mit vergoldetem Gestell, Stil General MacArthur, sowie zwei silberne Haarbürsten in der Form des flammenden SHAEF-Schwertes, die Mutter bei Garrard's für ihn hat anfertigen lassen und die er höchst gediegen findet. Sein Ziel, zu dieser tropf nassen, winterlichen Mittagsstunde, ist ein Stadthaus aus grauem Stein, weder groß noch historisch genug, um in irgendeinem Reiseführer erwähnt zu werden. Es liegt etwas zurückgesetzt, so daß man es vom Grosvenor Square aus gerade nicht mehr sehen kann, ein wenig abseits der offiziellen Kriegsrouten und -korridore der Hauptstadt. Wenn die Schreibmaschinen gerade mal Pause haben (also um 8 Uhr 20 und zu ähnlichen, mythischen Stunden), wenn die amerikanischen Bomber am Himmel keine Einsätze fliegen und wenn der Verkehr auf der Oxford Street nicht allzu dicht ist, kann man draußen die Wintervögel tschilpen hören, wie sie sich emsig an den Vogelhäuschen zu schaffen machen, die die Mädchen für sie aufgestellt haben.
    Die Pflastersteine sind schlüpfrig vom Nebel. Dies ist die düstere, unerbittliche, tabakgierige, kopfschmerzende, sodbrennende Tagesmitte: eine Million Bürokraten schmiedet sorgfältig Todespläne, und einige von ihnen wissen's sogar, viele sind bereits beim zweiten oder dritten Bier oder Whisky-Soda und spüren eine gewisse Trostlosigkeit hochkommen. Bloat freilich, der gerade zwischen Sandsackbarrieren das Haus betritt (provisorische Pyramiden, Abkömmlingen neugieriger Götter zu huldigen, wie wahr), merkt davon nichts. Er ist zu sehr damit beschäftigt, sich plausible Ausreden für den Fall auszudenken, daß er erwischt werden sollte, womit er aber, keine Angst, im Ernst nicht rechnet...
    Am Empfang, gutmütig, kaugummikauend, bebrillt, ein Mädchen vom weiblichen Hilfskorps, sie winkt ihm gleich, daß er raufgehen kann. Adjutanten, die nach feuchter Wolle riechen,
    hasten zu irgendwelchen Besprechungen, aufs Klo oder zu ein, zwei Stunden ernsthaften Saufens. Sie nicken ihm zu, ohne ihn zu sehen, das Gesicht kennt man doch, Freund von wieheißtergleich, kennen sich aus Oxford, dieser Lieutenant, der am Ende vom Flur arbeitet, bei ACHTUNG ...
    Die Slumbaumeister des Krieges haben das alte Gebäude neu aufgeteilt. ACHTUNG ist Allied Clearing House, Technical Units, Northern Germany und residiert in einer nach schalem Rauch stinkenden Papierhöhle, die im Augenblick fast menschenleer ist. Schwarze Schreibmaschinen ragen wie Grabsteine, dreckiges Linoleum bedeckt den Boden, Fenster gibt es nicht. Elektrisches Licht brennt gelb, billig, gnadenlos. Bloat blickt in das Büro, das seinem alten Freund vom Jesus College, Lt. Oliver ("Tantivy") Mucker-Maffick zugeteilt ist. Keiner da. Tantivy und der Yank sind beide zum Mittagessen. Gut. Also raus mit der alten Kamera, die Schreibtischlampe eingeschaltet und den Reflektor so gedreht...
    Verschlage wie diesen hier muß es überall auf

Weitere Kostenlose Bücher