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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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nicht alles auf einmal, aber genug. "Du bist berührt. Können wir jetzt los und sie suchen?"
    DDDD
    Zuerst die gute Frau: weit vom Fußende über Slothrop gebeugt, ein Auge, hell und keck wie das eines Papageien, eine große, weiße Augenbosse, verstrebt auf alten, stacheligen Armen und Beinen, ein schwarzes Kopftuch über der Rolle ihrer Pompadour als Zeichen der Trauer um alle ihre hanseschen Toten unter den wogenden Eisengeschwadern, den kielgeritzten, grauen Ostseewellen, tot unter den Geschwadern von Wellen, den Prärien der See ...
    Dann Gerhardt von Göll: ein Fuß, der Slothrop alles andere als sanft in die Seite stößt. Die Sonne steht am Himmel, die Mädchen sind alle fort. Otto miesepetert mit Besen und Schrubber über das Deck, im Kampf mit der Schimpansenscheiße von gestern. Swinemünde.
    Der Springer ist schon wieder ganz obenauf: "Frische Eier und Kaffee im Ruderhaus - bedient euch! In einer Viertelstunde sind wir hier raus." "Dieses - wir wolln wir mal schön lassen, Sportsfreund."
    "Aber ich brauch deine Hilfe." Springer trägt heute morgen einen Anzug aus feinem Tweed, äußerst Savile Row, sitzt wie angegossen -"Närrisch hat deine Hilfe gebraucht."
    "Du weißt ja nicht, wovon du redest." Seine Augen sind Stahlmurmeln, die nie verlieren. Sein Lachen, untertitelt Leutselig zu den Narren, ist mitteleuropäisch und kalt. "Na schön, na schön. Wieviel willst du?"
    "Alles hat seinen Preis, stimmt's ?" Nicht, daß er hier den Vornehmen spielen will,
    nein, Tatsache ist, daß ihm sein eigener Preis eben erst klargeworden ist, und
    deshalb muß er das Gespräch ein wenig hängen lassen, ihm eine Sekunde
    Atempause geben, Entwicklungsmöglichkeit.
    "Alles. Stimmt."
    "Worum geht's überhaupt?"
    "Um einen kleinen Piratenstreich. Du holst ein Paket für mich ab, ich gebe dir
    Deckung dabei." Er schaut auf die Uhr, theatralisch wie ein Schmierenkomödiant.
    "O. K., beschaff mir meine Entlassungspapiere, und ich komme mit."
    "Was? Entlassungspapiere? Für dich? Ha! Ha! Ha!"
    "Du solltest öfter mal lachen, Springer! So siehst du echt nett aus!"
    "Welche Art Entlassung, Slothrop? Am Ende eine ehrenhafte? Ah, ah-ha! Ha! Ha!"
    Wie Adolf Hitler ist auch der Springer äußerst empfänglich für das, was die
    Deutschen Schadenfreude nennen, das Vergnügen am Unglück des anderen.
    "Hör mit dem Quatsch auf. Mir ist es ernst."
    "Aber natürlich, Slothrop, weiß ich doch!" Noch mehr von dem Gekicher.
    Slothrop wartet, beobachtet, lutscht an seinem Ei, obwohl er sich alles andere als
    schlau fühlt heute morgen.
    "Eigentlich sollte Närrisch heute mit mir gehen, verstehst du. Aber jetzt hab ich dich am Hals. Ha! Ha! Wo soll ich sie dir denn hinliefern, diese - ha - diese Entlassungspapiere?"
    "Cuxhaven." In Slothrop spukt seit kurzem diese vage Idee herum, mit den Leuten von der Operation Backfire in Cuxhaven Verbindung aufzunehmen, um zu sehen, ob sie ihm vielleicht raushelfen können. Sie scheinen der letzte englische Faden zur Rakete zu sein, den es noch gibt. Eigentlich weiß er schon, daß es nicht klappen wird. Trotzdem machen er und Springer einen Treffpunkt aus. "Komm in ein Lokal, das Putzi heißt. Es liegt etwas außerhalb, an der Straße nach Dorum. Die Schieber am Ort können dir alle sagen, wo das ist." Und so geht's wieder auf See - raus aus der feuchten Umarmung der Hafenmolen, rein in die Pommersche Bucht von Wellenkamm zu Wellenkamm hüpft die fröhliche Piratenbarke, vor dem Bug Nimbuswolken, Schicht auf Schicht getürmt, und ein Tag, der schon rauh und stürmisch genug ist, aber noch unfreundlicher zu werden verspricht. Der Springer steht neben dem Ruderhaus auf Deck und brüllt durchs Fenster nach innen, um das Zischen der ersten Brecher zu übertönen, die vorne überkommen. "Wo glauben Sie, daß sie sich jetzt befindet?"
    "Wenn sie Kurs auf Kopenhagen genommen hat", und Frau Gnahbs windgegerbtes Gesicht mit seinen permanenten Lachfalten um Augen und Mund strahlt wie die Sonne, "dann wird ihr Vorsprung kaum größer als eine Stunde sein ... " Die Sicht ist schlecht an diesem Morgen, von der Küste Usedoms fast nichts zu erkennen. Springer gesellt sich zu Slothrop, der an der Reling steht, ins Leere blickt und den nahenden Geruch des grauen Wetters atmet.
    "Es geht ihm gut, Slothrop. Er hat schon Schlimmeres überstanden. Vor zwei Monaten sind wir in Berlin in einen Hinterhalt geraten, direkt vor der Chicago. Er ist durch das Kreuzfeuer von drei Schmeissers durchmarschiert, um einen Handel

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