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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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vergebens.
    "Ich kenne Sie nicht." Und zum Springer: "Also schön. Es ist im Maschinenraum. Steuerbordseite, unten hinter dem Generator", was Slothrops Stichwort ist, die Szene zu verlassen.
    Am Fuß der steilen Treppe trifft er Stefania, die gerade durch den Gang kommt. "Hi Tut mir leid, daß wir uns unter solchen Umständen wiedersehen." "Hallo, ich bin Stefania", im Vorübergehen schießt sie ein rasches Lächeln auf ihn ab, "ein Deck höher gibt's alkoholische Getränke, amüsieren Sie sich!" Und schon ist sie verschwunden, hinaus in den Regen. Wie bitte?
    Slothrop schlüpft durch eine Luke, beginnt den Abstieg in die Maschinenräume.
    Irgendwo oben schlägt es drei Glasen, langsam, ein wenig hohl, mit einem
    schwachen Echo. Es ist spät... spät. Er erinnert sich daran, wo er ist.
    Gerade als er die Bodenplatten berührt, gehen alle Lichter aus. Ventilatoren
    wimmern zum Stillstand. Der Maschinenraum liegt noch eine Etage tiefer. Wird er
    das im Dunkeln machen müssen?
    "Ich kann's nicht" (laut).
    "Du kannst", antwortet eine Stimme nahe an seinem Ohr. Er kann ihren Atem fühlen. Er kriegt einen fachkundigen Schlag ins Genick. Licht windet sich durch die absolute Schwärze. Sein linker Arm ist taub geworden. "Ich laß dir den anderen", flüstert die Stimme, "damit du in den Maschinenraum hinunterklettern kannst." "Moment -" Es fühlt sich wie die scharfe Spitze eines Tanzpumps an, die aus dem Nichts unter sein Gesicht geschwebt kommt, um ihm eine Sekunde lang die weiche Unterseite seines Kinns zu streicheln - dann stößt sie hoch und schlägt ihm die Zähne über seiner Zunge zusammen.
    Der Schmerz ist furchtbar. Er schmeckt Blut. Schweiß sammelt sich um seine Augen. "Los jetzt!" Als er zögert, kriegt er einen zweiten Schlag in den Nacken. Oh, wie das schmerzt... er klammert sich an die Leiter, nachtblind, beginnt zu weinen ... dann erinnert er sich an die Luger, doch bevor er nach ihr gegriffen hat, trifft ihn schon ein jäher Tritt zwischen Hüfte und Leisten. Der Revolver fällt auf die stählernen
    Bodenplatten. Slothrop läßt sich auf ein Knie nieder, tastet nach ihm, als er den Schuh leicht auf seinen Fingern spürt. "Du wirst diese Hand brauchen, um dich an der Leiter festzuhalten, erinnerst du dich? Erinnerst du dich?" Damit hebt sich der Schuh wieder, doch nur, um ihn in die Achselhöhle zu treten. "Auf, auf!" Slothrop tastet sich zur nächsten Leiter, läßt sich steif und einarmig auf sie nieder. Er spürt, wie rings um ihn die stählerne Lukenöffnung hochsteigt. "Wage nicht, hier wieder raufzukommen, ehe du nicht getan hast, was du mußt." "Thanatz?" Slothrops Zunge schmerzt. Der Name kommt schwerfällig heraus. Schweigen. "Morituri?" Keine Antwort. Slothrop steigt mit einem Fuß eine Sprosse höher.
    "Nichts da, nichts da, ich bin noch hier."
    Also nach unten, zitternd, Sprosse um Sprosse, während er Blut in den Arm zurückprickeln fühlt. Wie kann er da hinunter? Wie kann er wieder rauf? Er versucht, sich auf den Schmerz zu konzentrieren. Endlich berühren seine Füße stählerne Platten. Blindheit. Er bewegt sich nach Steuerbord, stößt mit jedem Schritt gegen schienbeinhohe Kanten, scharfe Vorsprünge ...
    Ich will nicht... wie kann ich denn ... greif nach hinten ... mit bloßen Händen ... was ist, wenn ...
    Ein plötzliches Aufheulen zu seiner Rechten - etwas Mechanisches - er springt, saugt eiskalten Atem durch die Zähne, die Nerven in Rücken und Armen flimmern, krampfen sich unter der Haut ... er stößt gegen ein zylindrisches Hindernis ... könnte der Generator sein ... er bückt sich und will - Seine Hand schließt sich um steifen Taft. Er schleudert ihn fort, will sich aufrichten, schlägt mit seinem Kopf gegen etwas Spitzes ... möchte zur Leiter zurückkriechen, hat jetzt aber jede Orientierung verloren ... hockt sich nieder, tappt langsam einen Kreis ... laß es aufhören, laßesaufhören ... doch seine Hände, über den Boden gleitend, kehren zurück zu schlüpfrigem Satin. "Nein." Ja: Haken und Ösen. Er bricht sich einen Fingernagel ab, als er versucht, sich loszunesteln, aber sie folgen ihm ... Schnüre, die sich bewegen, mit schlangengleicher Sicherheit, jeden Finger verstrickend, fesselnd ... "Nein ..." Er richtet sich halb auf, tastet sich auf allen vieren vorwärts, läuft in etwas hinein, das von der Decke baumelt. Eisige kleine Schenkel in nasser Seide schwingen gegen sein Gesicht. Sie riechen nach Meer. Er wendet sich ab, nur um von langem, nassem Haar über die

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