Die Enden der Parabel
Wange gepeitscht zu werden. Egal, in welche Richtung er zu entkommen versucht... kalte Brustwarzen ... der tiefe Schlitz ihres Hinterns, Parfüm und Scheiße und der Geruch des Salzwassers ... und der Geruch nach ... nach ...
Als die Lichter wieder angehen, kauert Slothrop auf seinen Knien, vorsichtig atmend. Er weiß, daß es ihm nicht erspart bleiben wird, die Augen zu öffnen. Der Raum stinkt jetzt nach dem unterdrückten Licht, nach den tödlichen Möglichkeiten des Lichts - so wie der Körper, in Augenblicken großer Trauer, sein wahres Potential an Schmerzen ahnt: wahrhaft und furchtbar und ganz knapp unter der Schwelle ... Das braune Packpapierbündel liegt fünf Zentimeter vor seinem Knie, hinter den Fuß des Generators geklemmt. Aber was ist's, das todesweiß und schar- lachrot über den Rändern seines Gesichtsfelds tanzt... und sind die Leitern zurück nach oben wirklich so leer, wie sie aussehen?
Zurückgekehrt an Bord des Kutters, bringt der Springer eine Flasche Champagner zum Vorschein, eine kleine Aufmerksamkeit von der Anubis, löst die silbrigen Drähte und feuert den Korken als Abschiedssalve in die Luft. Slothrops Hände zittern, er verschüttet das meiste. Antoni und Stefania verfolgen von der Brücke aus, wie sich die beiden Fahrzeuge voneinander lösen, Ostseehimmel sichtbar durch die Netzhaut ihrer Augen. Stefanias weißes Haar in Staubfäden aus Schaum, ihre Wangen gemeißelter Nebel ... Wolkenmann, Wolkenfrau, so schwinden sie zurück, schweigend und fern, in das Herz des Sturms ...
Frau Gnahb nimmt Kurs nach Süden, an Bug vorbei in die Enge zwischen Hiddensee und Rügen. Der Sturm hält mit der Abenddämmerung Schritt. "Wir legen in Stralsund an", ihr zerkritzeltes Gesicht übergössen von gelbem Licht und schmierölgrünen Schatten, abwechselnd mit dem Schwanken der Petroleumlaterne im Ruderhaus. Slothrop nimmt sich vor, dort auszusteigen. Nach Cuxhaven zu gehen. "Springer, glaubst du, daß du mir diese Papiere pünktlich besorgen kannst?" "Garantieren kann ich für nichts", sagt Gerhardt von Göll.
In Stralsund am Kai, in Lampenlicht und Regen, sagen sie einander Lebewohl. Frau Gnahb küßt Slothrop, und Otto schenkt ihm eine Packung Lucky Strikes. Der Springer blickt von seinem grünen Notizbuch hoch und nickt über seinen Kneifer hinweg auf Wiedersehen. Slothrop wandert davon, über die Planke und den nassen Hafenplatz, auf Seebeinen, die sich immer noch gegen ein Rollen wiegen, das er hinter sich gelassen hat, vorbei an Mastbäumen und Spieren und dem gestrafften Tauwerk von Ladebäumen, vorbei an einer Nachtschicht, die knarzende Leichterkähne in hölzerne Karren entlädt, vor welchen gebückte graue Pferde die graslosen Steine küssen ... Die Lebewohls in seinen Taschen wärmen seine leeren Hände...
[3.23] Doper's Greed
Wo ist der Papst, dessen Stab grünen wird für mich? Ihr Berg lockt mich zurück mit Duft und Seiden, Ihre Sklaven, schimmernd und athletisch, neue Leiden, Die träge sie verspricht, verwandeln sich Zum Himmel, zur Reinheit von Licht - von Banden, Die singen, von Peitschen, die Farben ziehen im Schlag. Nun selbst dem Wetter preisgegeben, Tag für Tag, Hör ich ihr Rufen, will das Licht im Dunkeln stranden. Keine Lisaura ließ ich krank zurück in Qualen, Auf Knien hab ich meine Beichte abgelegt, Agnostisch noch vor seines Steines Strahlen ... Hier, da ich unter meinem letzten Wind verharr, Sind Lieder nicht, Erinnerungen, Lust und Schuld, Nicht Münzen, Kelche, und kein heil'ger Narr...
Brigadier Pudding starb um die Mitte des vergangenen Juni an einer akuten E.-coli-Infektion, wimmernd, als es aufs Ende zuging: "Mein Bauchi tut so weh ...", wieder und wieder. Es war kurz vor der Morgendämmerung, wie er es sich gewünscht hatte. Katje blieb noch eine Zeitlang in der "Weißen Visitation", wanderte durch die demobilisierten Korridore, die rauchig und still und immer noch das Ende all der geleerten Käfige und Gitter des Laboratoriums waren, und fühlte sich selbst als Teil der aschgrauen Spinnweben, der immer dicker werdenden Staubschichten, der erblindenden Fenster voller Fliegenschiß.
Eines Tages entdeckte sie die Büchsen mit den Filmrollen, die Webley Silvernail achtlos in eine Ecke des früheren Musikzimmers gestapelt hatte, in dem jetzt nur noch ein verrottendes, von niemandem mehr gespieltes Wittmaier-Cembalo stand, dessen Federkiele und Registerzüge schmählich ruiniert und dessen Saiten der Verstimmung oder der Korrosion durch die rastlosen
Weitere Kostenlose Bücher