Die Enden der Welt
noch einmal zurückkommt:
»Seien Sie bloß vorsichtig. Eine Freundin von den Ärzten ohne Grenzen hat eine kleine Wohnung in der Stadt. Einmal hat sie einem Bekannten erlaubt, von ihrem Balkon aus mit dem Fernglas über die Häuser zu blicken. Dafür sind sie beide für ein paar Wochen ins Gefängnis gewandert, Spionageverdacht. Ich sag nur: Nie wieder!«
Unterdessen versuche ich, mir hier ein neues Bild vom Krieg zu machen. Die Artikel in den westlichen Zeitungen beginnen mit Sätzen wie: »Dopka ist ein totes Dorf. Es riecht nach verbranntem Reet.« Oder: »Die Nacht brach ein, als Dzara Dzeha zusah, wie ihre Mörder das Dorf stürmten.« Oder: »Die Toten liegen in der Kirche.« Statt Politik Glanzbildchen von Massakern: das ist das Afrika des Westens.
Sie sagen nicht, dass der Kongo ein besetztes Land ist, dass es von den vergleichsweise winzigen Nachbarstaaten Burundi, Uganda und Ruanda bis zu zweitausend Kilometer weit ins Land hinein okkupiert wurde. Ruandas Rebellen hatten 1996 den Sturz von Diktator Mobutu nach dem Siegeszug des jetzigen Präsidenten Laurent Kabila inszeniert. Die Weltöffentlichkeit applaudierte damals verhalten. Gerüchte, die Rebellen hätten ihren ursprünglichen Kandidaten kurz vor Kinshasa umgebracht und Kabila erst anschließend nominiert, dringen kaum über die Landesgrenzen. Jedenfalls überwirft sich der so an die Macht Gekommene zügig mit den Rebellen, die seine Truppen im Norden inzwischen schon entwaffnen konnten, als trunkene Marodeure aber keine Aussicht auf eine Regierungsübernahme haben. Auf der anderen Seite lebt die politische Opposition aus Angst vor Repressalien so verborgen, dass die Bevölkerung, wünschte sie eine Alternative, keine wüsste. Die Alternative zu Kabila heißt also Kabila.
Er, der ungeliebte, angeschlagene Präsident droht im Straßenbild von hohen Transparenten herab. Doch so abwesend der Krieg in Kinshasa auch wirkt, so präsent ist die Gewalt des kriegführenden Präsidenten. Sieben Menschen sollen von seinen Leuten allein deshalb erschossen worden sein, weil sie seiner Autokolonne nicht schnell genug die Straßenkreuzung räumten. Die Angst vor seiner Willkür sitzt tief.
Wir begreifen zunächst: Der Krieg liebt keine westlichen Augenzeugen, keine Rechercheure von Massakern. Aber sind wir hier nicht im Dienst der Musik? Erst später werden wir auch das Zweite begreifen: die langsame Umkehr des Rassismus. Man verachtet die Weißen, schikaniert sie, unterwirft sie immer neuen Autoritäten, lässt an der Grenze ihre Pässe zu Boden fallen, danach sind sie stundenlang verschwunden oder nur mit Geld wieder auszulösen. Wer als Weißer unter diesen Umständen trotzdem noch im Land ist, hat oft altruistische Gründe und nicht selten sogar ein gewisses Verständnis für solche Formen später Revanche. Doch selbst dies mühsam erworbene und gegen die Ressentiments verteidigte Verständnis findet man hier zum Kotzen.
Papa Wemba dagegen wird geliebt. In seinen Gesprächen mit Freunden, lokalen Musikern oder Anhängern kommt der Krieg nicht vor und der Präsident auch nicht. Stattdessen fährt Wemba in der tiefgekühlten Mercedes-Limousine durch die Stadt, telefoniert dabei mit Paris, lässt sich Obst und Zeitungen in den Wagen reichen, hört pausenlos die eigenen Alben, und manchmal winkt er auch in die nie abreißende Menge der Enthusiasten an der Straße, die vor Begeisterung fast seinen Wagen demolieren.
»Das sollten Sie filmen«, sagt er.
Sofort! Von jetzt an filmen wir stundenlang seine Triumphfahrten durch die Außenbezirke von Kinshasa, geschützt von seinem Ruhm. Jetzt winkt er auch häufiger.
Widerspricht die Musik dem Krieg oder ist sie eine zweite Welt? Ist sie das Kontinuierliche in der Geschichte des Landes, oder bricht ihr Stammbaum jetzt ab? Spricht sie von den Opfern, den Armen, oder will sie nur von ihnen gekauft werden?
»Die Armen soll man in Frieden lassen«, sagt Papa Wemba.
Die Wahrheit ist, dass sie natürlich keinen Frieden haben, sondern den Krieg bezahlen. Ja, das bekümmere ihn auch, sagt er und bürstet sich ein paar Flusen von den großblumigen Mustern seines Bubus.
»Ich bin zwar Künstler, aber ich rede durchaus über Politik«, fügt er hinzu. Doch als ich es genauer wissen will, ergänzt er: »Eine politische Position werde ich allerdings nicht beziehen.«
»Die Musik und der Krieg, sie haben keine Verbindung?«
»Die Musik soll die Menschen über den Krieg informieren, und wir müssen diesen Krieg
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