Die Enden der Welt
eines mythischen Mannes oder Gurus. Wegen jener äußerst flamboyanten Kleidung, die seine Konzerte auch zu modischen Ereignissen werden lassen, erkennt man in diesem Popstar zugleich eine stilbildende Kraft zentralafrikanischer Couture. Aber das hört er inzwischen nicht mehr gern.
Denn er ist seinem Selbstverständnis nach ein bedeutender Mann mit untersetzter Statur, gemessenen Bewegungen und Talent zum Pathos. Seine indigoblaue Seidenbluse ist mit goldenen Applikationen bestickt, die großzügig bemessene Hose knittert edel, und selbst sein Fliegenwedel segnet jedes Insekt, das er verscheucht. Joppe von Yamamoto, Brille von Mikli, Handy am Ohr, setzt er kurz ab, reicht mir die Linke:
»Willkommen im Kongo! Nüsse? Cocktail?«
Wir sitzen und warten, wie man nur in Afrika wartet. Irgendetwas wird kommen, ein Bote etwas bringen oder eine Nachricht eintreffen. Absprachen werden getroffen, Verabredungen fixiert, beide Seiten lächeln und nicken, beide wissen, dass alles, was hier besprochen und vereinbart wird, Makulatur ist.
Papa Wemba telefoniert in einem fort. Delegationen treten an seinen Tisch. Sie bücken sich, er sitzt. Ich frage nach einem möglichen Drehbeginn für unseren Film.
»Garçon, mehr Nüsse!«, ruft er einem Livrierten zu und wedelt mit dem leeren Schüsselchen. Von einem Zeitpunkt kann keine Rede sein.
»Wo sind die anderen?«, will Papa Wemba wissen.
Ich berichte von unserem Unfall, wir könnten ein gutes Wort im Krankenhaus gebrauchen. Er schiebt mir die Nüsse rüber.
»Lassen Sie mich Ihre Arbeitsgenehmigung sehen«, sagt er.
Das ist ungehörig. Doch das Viertelpfund Papier in meinem Besitz lege ich ihm gerne vor, alle Schriftwechsel, die in den letzten Monaten zwischen Botschaften, Behörden und Amtsstuben zweier Kontinente hin- und hergegangen sind, um diesen Cocktail an der Bar des »Memling« möglich zu machen. Er schüttelt den Kopf über den Briefköpfen, Stempeln und Signaturen, er hört nicht auf, ihn zu schütteln, und zieht dann einen kleinformatigen Wisch hervor. Diesem fehlt die persönliche Unterschrift des Ministers. Also schiebt er mir das Konvolut wieder herüber und legt, ohne Sinn für die Ironie der Szene, die Rechnung für Cocktails und Nüsse obendrauf.
»Besorgen Sie sich erst diese Unterschrift!«
In der Lounge steht eine Gruppe von Männern in Safarianzügen um ein Fernsehgerät, Präsident Kabila spricht. Er ist hier noch breiter als auf den Plakaten oder auf der Anstecknadel am Revers des Zöllners. Wenn er lacht, rastet sein Mund ein und bleibt stehen, dann springt er zurück.
Ausländische Beobachter nennen ihn einen schwachen Mann, der im letzten Augenblick in sein Amt gehoben worden sei von einer Gruppe marodierender Banden, die ihn jetzt bekämpften. Willkür herrscht, Milizen aus Burundi, Uganda und Ruanda haben das Land besetzt, Kabilas Leute im Norden sind bereits entwaffnet.
Doch wie er da im Fernsehen spricht, wirkt er präsidential, das lernt man offenbar am schnellsten.
»Wir wollen die Anhänger Mobutus einbinden«, sagt er. »Aber wir dulden keine Nazi-Partei!«
Die Kamera schwenkt auf die Anhänger der »Nazi-Partei«, die Partei der Anhänger Mobutus. Sie sitzen fassungslos. Ernstzunehmende Gegner sind sie nicht mehr, jedenfalls weniger als die Rebellen, die auf dem Land gegen Kabilas Leute kämpfen und auch Kinshasa unsicher machen.
Der Präsident wendet sich jetzt den Besatzern zu, die er nicht so nennt. Wie soll er drei Sechs- oder Acht-Millionen-Einwohner-Staaten in seinem Fünfzig-Millionen-Reich als ernsthafte Aggressoren akzeptieren? Wie soll er zugeben, dass diese Teile des Landes längst kontrollieren? Herablassend akzeptiert er den Präsidenten von Botsuana als »Vermittler«. Doch kaum hat der den Saal verlassen, lacht er ihn aus. Der UN -Beobachter zu meiner Linken schüttelt ungläubig den Kopf. So ist der Präsident eben. Vor zwei Wochen hat er erstmalig ein Kamerateam aus New York zum Interview eingeladen. Acht Tage ließ er es warten. Gestern ist es unverrichteter Dinge wieder abgereist.
An der Rezeption checkt im selben Augenblick das einzige andere westliche Kamerateam gerade aus.
»Viel Spaß im Informationsministerium«, wünscht mir der Kameramann. »Die verstehen hier nichts von Information, und von unserer Liebe zu ihrem Land noch weniger. Raten Sie mal, wie viel wir hier in siebzehn Tagen gedreht haben: acht Minuten. Das war mein letztes Mal im Kongo!«
Er ist schon aus der Tür, als er für eine Anekdote
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