Die Enden der Welt
gewinnen.«
Was in diesem Zusammenhang eine »Information« sein soll, sagt er nicht, und auch nicht, wie ein gewonnener Krieg aussähe.
»Ich bin stolz auf mein Land«, schwadroniert er, gedrückt in die Polster seiner Limousine, aber vielleicht ist er es nur, weil dieses Land ihn hervorgebracht hat. Der Name Kabila fällt nicht ein einziges Mal.
Es sind kaum noch Europäer, kaum noch Weiße in Kinshasa. Eine BBC -Journalistin aber harrt noch aus. Sie ist auch deshalb gelitten, weil ihre Beiträge nur gedreht, aber nicht gesendet werden. So hält sie wenigstens den Schein der internationalen Teilnahme aufrecht. Ihr Büro liegt in einer der obersten Etagen des »Intercontinental«. Ob wir wohl vom Dach aus einen raschen Schwenk über die Stadt drehen könnten? Viel zu gefährlich, wiegelt sie ab. Hier sei alles politisch. Schon unser Besuch in ihrem Büro sei politisch – ein Treffen? Eine Verschwörung? Es sei sicherer, wenn wir rasch wieder gingen. Wir tasten uns abwärts durch den maroden, im Teppichflor atmenden Bau, die Hitze ist drückend, die Stimmung ist es nicht minder. Wir befinden uns an einem Ort, an dem jetzt niemand zu sein wünscht.
Doch schließlich hat auch das Leben den blinden Wunsch, weiterzugehen, und wenn es noch irgendwo tanzt und singt, geschieht es wie im Reflex. Im Hof seines Stadthauses steht Papa Wemba vor dem Spalier seiner eigenen Jugendband und unterrichtet sie mit zusammengezogenen Brauen. Vor allem die Stimmbildung eines der beiden Albino-Sänger liegt ihm am Herzen. Der weißhaarige Hüne mit seinen rosa bewimperten Augen bringt in einer hohen Falsettlage unerhörte Töne hervor, glockenrein wie die des Kastraten, und der goldbehangene Star des Rumba-Rock steht tatsächlich für einen Moment ganz gefangen da. Dann nickt er, will ein Vibrato hören und wendet sich den »Fioti Fioti« zu, dem Ensemble der kurz berockten Bühnentänzerinnen und ihrer neuen Choreographie. Alle, Jungen wie Mädchen, werden stier, wenn sie in Papa Wembas Gesicht blicken. Sie sind respektvoll, doch mehr noch befangen, und wer eine Frage an ihn hat, nimmt erst die Kappe ab.
Wir fahren mit ihm in die Kirche, wo er als Knabe von der Empore sang und jetzt zum Gottesdienst in Schlappen und Adidas-Anzug an den Altar tritt, um den Witwen, den alten Frauen, den Ausgemusterten und enttäuschten Tagelöhnern zu sagen, sie alle könnten es schaffen, wenn sie es nur wollten. Es scheppert wie eine Phrasendreschmaschine aus dem US -amerikanischen Wahlkampf. »Es« schaffen – in diesem Kirchenschiff sieht niemand aus, als verbinde er damit eine andere Vorstellung als die der Erlösung.
Wird er der Bevölkerung also nichts zeigen als seinen Ruhm? Wird er nichts für sie haben als seine winkende Hand? Wird er den Krieg nicht kommentieren, nur gewinnen wollen?
Am Schlagbaum des Informationsministeriums wachen ein paar halbwüchsige Kindersoldaten. Zwei von ihnen tragen einen Stummel, wo früher ein Arm war. Man kann nicht sagen, dass die jungen Kriegsbeschädigten wie Kindergreise aussehen. Es ist bitterer. Ihr Gesicht ist ohne Werden, es ist stehend verroht. Die Kindheit hat sich aus diesen Zügen nicht löschen lassen, aber die Zartheit, und so herrscht das Ruppige, Rabiate vor in ihren Gesten. Sie haben diesen Habitus der Selbstbehauptung angenommen im Kreise anderer Soldaten, denen man wie ihnen ein Gewehr in die Hand gedrückt hatte mit dem Auftrag: Geht und verteidigt euer Land. Erst mussten sie sich an irgendeiner Front bewähren, jetzt dürfen sie mit grimmiger Landsermiene das Hauptquartier der Propaganda bewachen. Jeder von ihnen kennt das Töten. Wenn ihnen ein Missgeschick passiert und jemand durch ihre Hände irrtümlich ermordet wird, pflegt Präsident Kabila zu sagen: Sie sind noch so jung. Was kann ich für ihren Übermut?
Der Campus des Ministeriums ist verlassen. Seit langem schon steht auch das Presse-Hotel leer, in seinen Mauern filzt der Schwamm. Im Souterrain des Hauptgebäudes aber lungern noch ein paar der einheimischen Journalisten und Kameraleute herum, spielen Karten, warten auf ihren nächsten Einsatz und flirten mit den Bürodienerinnen. Die meisten Frauen zeigen ein lückenhaftes Gebiss. Manche haben sich die Schneidezähne entfernen lassen, weil den Männern so der Oralverkehr mehr Spaß macht. Ihre Gesichter sind von Narben entstellt, immer wieder schließen sie ein Auge sekundenlang und neigen den Kopf: »Komm mit!« Aber wohin? Man kann ja nirgends hingehen.
Immerhin gibt es
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