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Die Enden der Welt

Die Enden der Welt

Titel: Die Enden der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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gekocht worden war. Darüber lachen Medizinmann und Dorfältester, denn Appetitlosigkeit kennzeichnet den Opiumesser, so wie überhaupt einige motorische Funktionen gelähmt werden. Auf allen vieren erreichen wir unsere Hütte, krauchen die Bretter zu den Einstiegsöffnungen hinauf in die schwindelerregende Drei-Meter-Höhe und legen uns auf unsere Matten, Helen und Mark in die eine, ich in die andere Ecke.
    Der direkte Niederschlag des Behagens kommt im Lächeln. Das heißt, die Mundwinkel auseinanderweichen zu lassen, ihre Bewegung nachzuvollziehen, und als eine Folge der Bewegung froh zu sein, leise amüsiert. Zufrieden, dass die Mimik der Erregung folgt, nein, einverstanden, dass die Erregung der Mimik folgt, nein, glücklich, dass die Bewegung der Bewegung folgt, denn es gibt kein Früher und Später, kein Motiv und keine Folge, es liegt alles auf dieser Amplitude des Glücks, die weiter und weiter ausschlägt, die Mundwinkel über die Grenzen des Gesichts hinaustreibt, so dass man jetzt, außerhalb seiner selbst Mundwinkel hat, die sich jenseits der Konturen des Gesichts weiter dehnen und heben wollen, bis sie allein in der Nachtluft flattern. Ah, die Nachtluft! Schon befand ich mich in den Abgründen einer Illusion.
    Der Rausch, das ist auch das Abziehen der Oberfläche. Die Gebrauchsseite der Welt zerfällt. Wie sollte man also und mehr noch, warum sollte man in ihr handeln? Warum sollte man zu etwas nutze sein? Was ist das überhaupt: ein Nutzen?
    Aus dem Dorf klingen ein paar Fetzen Musik. Musik ohne den Charakter der Begleitung. Das Subjekt der Musik sind in diesem Augenblick nicht die Musiker, eher die Instrumente. Sie singen sich ihr Innenleben aus dem Leib.
    »Daher also kommt es, das An-Sich der Instrumente«, sage ich laut, ohne dass ich es selbst verstehe oder sonst jemand. Aber hat der Satz schon ganz meinen Mund verlassen, oder hat er noch seinen Rumpf in meinem Rachen, wurde er dort vergessen?
    Und weiter: In einer Woge ereilt mich die vernachlässigte Welt. Voller diskriminierter Gegenstände und Bewusstseinsinhalte ist sie, die übersehene, verdrängte, nicht-sein-sollende Welt, und der Kopf verzehrt sich dauernd in einem Vermitteln zwischen dem Zustand des Bewusstseins und der Tätigkeit des Denkens. Jetzt aber, in diesem Moment, liegt alles im Dazwischen, in dem reglosen Zustand der Turbulenz, die nicht Bewusstsein und nicht Aktivität ist, sondern Empfängnis, Weltwerdung.
    In solcher schwimmenden Empfänglichkeit für die Schöpfung, mit dem Blick auf die zarte Hülle des Alls, die den Erdkörper umgibt als ein Gazeschleier, in der ansteigenden Sentimentalität für all das, was sie ist, schmeckt der Geruch der Luft, fühlt sich der Hauch auf der Haut, atmet der Wald sanft und liebevoll ein und aus. Man könnte nicht gehen, nicht harnen, nicht erigieren, die Motorik wird schwerfällig und überflüssig. Doch das muss so sein, vertieft sich doch alles, worauf man sich nun noch konzentriert – wenn das das Wort ist, denn man schweift dahin, ohne sich festhalten zu können. Die Tempi verschieben sich, eine Ewigkeit öffnet sich in der Spanne von Momenten. Wenn aber so viele Eindrücke, innere Vorgänge, Bewegungen in Minuten passen, dann muss das schleppend erscheinende Tempo in diesen Minuten eigentlich hoch sein. Es kommt und geht also viel und schnell, doch in schwerfälligen Bewegungen, und die Gesichter sind alle nackt wie der aus der Rinde geschälte Stamm.
    »Wie viele Pfeifen kann ich rauchen?«, hatte ich den Medizinmann gefragt, und er hatte erwidert:
    »Wenn kein böser Geist kommt, kannst du bis zu zehn Pfeifen rauchen.«
    »Und wenn der böse Geist kommt?«
    »Dann wird er dir sagen, du sollst aufhören!«
    »Und weiter?«
    »Sorg, dass du die Zäune nicht berührst, das hilft bei der Angst vor den Geistern.«
    Ich sehe hinaus in den Wald, wo der Wind in sanfter Dünung über die Wipfel läuft, sehe auf die nackten Frauen unter dem Wasserstrahl hinter den Hütten, auf die barbusige Alte mit dem Kopfputz. Alle, alle rauchen sie Opium, bereit, solidarisch die Welt aus einem verschobenen Betrachtungswinkel zu lesen. Die Wirklichkeit unter dem ersten Blick.
    Der Bauch juckt. Wie originell. Ich kratze mit allen zehn Nägeln die weitschweifige Landschaft des Bauches genussvoll auf und ab. Am nächsten Tag wird mir der Medizinmann sagen, nichts sei in diesem Rausch verbreiteter als solches Kratzen.
    Und was, wenn sich diese Bilder nun zu einer Endlosschleife organisieren, wenn sie

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