Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
Zeit, und dann haben wir besser nichts mit ihm zu tun.«
»Geld stinkt nicht«, sagte Percy.
Er wusste, was der Wirtschaftsprüfer sagen würde. Es war kein Geld mehr da. Es war alles weg, und um sich aus dieser Klemme zu befreien und Fygelsta zu retten, brauchte er Kapital. Sebastian war seine einzige Hoffnung.
Sie waren ins Krankenhaus nach Uddevalla gefahren, aber es sah alles gut aus. Kein Rauch in den Lungen. Der erste Schock hatte sich gelegt, und Ebba hatte das Gefühl, aus einem bösen Traum erwacht zu sein.
Plötzlich merkte sie, dass sie im Dunkeln saß, und knipste die Schreibtischlampe an. Im Sommer wurde es so unmerklich dunkel, dass sie die Augen oft viel zu lang anstrengte, bevor sie merkte, dass sie besseres Licht brauchte.
Der Engel, an dem sie arbeitete, war äußerst widerspenstig, und sie hatte Schwierigkeiten, die Öse daran zu befestigen. Mårten konnte nicht verstehen, dass sie den Schmuck von Hand herstellte, anstatt ihn in Thailand oder China produzieren zu lassen. Vor allem, seitdem über den Onlineshop eine Menge Bestellungen eintrafen. Doch dann wäre ihr die Arbeit weniger sinnvoll erschienen. Der Schmuck sollte von ihr angefertigt, jede Kette, die sie verschickte, mit gleich viel Liebe ausgeführt werden. Sie legte ihre Trauer und ihre Erinnerungen in die Engel. Außerdem war es beruhigend, sich am Abend damit zu beschäftigen, nachdem man den ganzen Tag gestrichen, gehämmert und gesägt hatte. Wenn sie morgens aufstand, tat ihr jeder Muskel weh, aber wenn sie den Schmuck machte, entspannte sich ihr Körper.
»Ich habe jetzt überall abgeschlossen«, sagte Mårten.
Ebba zuckte zusammen. Sie hatte ihn nicht kommen gehört.
»Scheiße.« Die Öse, die schon fast am richtigen Platz gesessen hatte, war wieder heruntergefallen.
»Willst du heute Abend nicht mal eine kleine Pause machen?«, fragte Mårten vorsichtig und stellte sich hinter sie.
Sie spürte, dass er überlegte, ob er ihr die Hände auf die Schultern legen sollte. Bevor das mit Vincent passiert war, hatte er ihr oft den Rücken massiert, und sie hatte seine festen, aber gleichzeitig sanften Berührungen geliebt. Nun konnte sie es kaum ertragen, wenn er sie anfasste. Womöglich schüttelte sie seine Hände instinktiv ab und verletzte ihn damit so, dass die Kluft zwischen ihnen noch größer wurde.
Ebba versuchte sich noch einmal an der Öse, und schließlich klappte es.
»Spielt das eine Rolle?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen. »Verschlossene Türen scheinen den, der uns heute Nacht umbringen wollte, auch nicht abgehalten zu haben.«
»Was sollen wir denn machen?«, fragte Mårten. »Kannst du mich nicht wenigstens ansehen, wenn du mit mir redest? Die Sache ist wichtig. Irgendjemand hat versucht, dieses Haus in Brand zu stecken, und wir wissen nicht, warum. Findest du das nicht unheimlich? Hast du keine Angst?«
Langsam drehte Ebba sich um.
»Wovor sollte ich Angst haben? Das Schlimmste ist doch bereits geschehen. Schließ die Türen ab, oder lass es bleiben. Mir ist das egal.«
»So geht es nicht weiter.«
»Warum nicht? Ich habe doch getan, was du wolltest. Ich bin wieder hierhergezogen, renoviere mit dir diesen verfallenen Kasten und werde den Rest meines Lebens glücklich mit dir in unserem kleinen Paradies verbringen, während die Gäste kommen und gehen. Ich habe dem zugestimmt. Was willst du denn noch?« Sie merkte selbst, wie kalt und unversöhnlich sie klang.
»Nichts, Ebba. Ich will gar nichts«, antwortete Mårten ernüchtert. Dann drehte er sich um und verließ den Raum.
Fjällbacka 1915
E ndlich war sie frei. Sie hatte eine Stelle als Dienstmädchen auf einem Hof in Hamburgsund gefunden und konnte der Pflegemutter und ihren grässlichen Kindern endlich entfliehen. Und nicht zuletzt ihrem Pflegevater. Als sie älter wurde und ihr Körper sich entwickelte, war er nachts immer häufiger zu ihr gekommen. Seit ihre Regelblutung eingesetzt hatte, lebte sie in der Angst, dass in ihr ein Kind heranwachsen könnte. Das war das Letzte, was sie wollte. Sie wollte nicht eins von diesen verheulten und verängstigten Mädchen werden, die mit einem schreienden Bündel im Arm an die Tür ih rer Mutter geklopft hatten. Schon als Kind hatte sie die Schwäch e und die Hilflosigkeit dieser jungen Frauen verachtet.
Dagmar packte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Aus ihrem Elternhaus besaß sie nichts, und auch hier war nichts von Wert dazugekommen. Trotzdem wollte sie nicht mit leeren Händen gehen. Sie
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