Die Engelsmuehle
vor Wut. Seine Backenmuskeln arbeiteten. »Ihr habt euch den Falschen vorgeknöpft. Lasst Kurt endlich frei!«
»Er ist immer noch verdächtig, und wenn du länger in diesem Fall herumschnüffelst, zählst du auch zu den Verdächtigen«, drohte Eichinger.
»Ihr habt nichts gegen Kurt in der Hand.«
»Noch nicht. Hauser hat schon den Durchsuchungsbefehl beantragt. Der Richter genehmigt ihn innerhalb der nächsten Stunde. Ich gebe dir einen guten Rat.« Er legte Hogart den Finger auf die Brust. »Halte dich raus und verschwinde von hier.«
Hogart hatte es satt, sich angreifen zu lassen und gute Ratschläge zu erhalten. Er wandte sich kommentarlos ab und ging auf seinen Wagen zu. Als er im Auto saß, beobachtete er, wie die Beamten Linda ins Gebäude begleiteten. Wieder dachte er an den blinkenden Anrufbeantworter aus Priolas Büro. Das war der Schlüssel. Er hätte viel früher draufkommen müssen. Doch es war nicht zu spät. Er musste sich lediglich beeilen, bevor die Kripoermittler in Kurts Wohnung sämtliche Spuren verwischten.
19
Hogart fuhr durch die Innenstadt und lenkte den Wagen in eine Parklücke, die soeben frei wurde. Er stieg aus dem Auto und sah sich um. Im Rudolfspark spielten Kinder. Kein Polizeiwagen weit und breit. Er wusste nicht, wie viel sein Bruder für die Wohnung in den beiden unteren Etagen des Eckhauses und die angrenzende Praxis löhnte, aber es war bestimmt kein Pappenstiel. Wer hier lebte und arbeitete, musste die entsprechende Summe hinblättern.
Hogart marschierte durch den Torbogen in den Innenhof. Die Haustür war offen. Im Treppenhaus standen Blumentöpfe mit gelben und violetten Oleandersträuchern neben Kurts Eingangstür. Sabina besaß den grünen Daumen, wie man so schön sagte. Von der Decke baumelte ein Hängetopf mit Pelargonien, die wild in alle Richtungen wucherten. Normalerweise lag unter dem Oleander der Wohnungsschlüssel verborgen - falls Tatjana einmal früher von der Schule heimkam und ihren Schlüssel zu Hause vergessen hatte, was öfters vorkam. Hogart hatte ihnen schon hundertmal gepredigt, dass Einbrecher immer zuerst unter Schuhmatten, in Blumentöpfen oder Regensinkkästen nach versteckten Schlüsseln suchten, bevor sie eine Tür aufbrachen, doch Sabina hielt Hogarts Sorge für übertrieben - und Kurt schloss sich wie üblich ihrer Meinung an. Schließlich war sie Lehrerin und er Chiropraktiker, und beide hatten noch nie mit Einbrüchen zu tun gehabt.
Bevor er sich selbst auf die Suche nach dem Reserveschlüssel machte, läutete er. Sabina war tatsächlich zu Hause.
»Keine Schule heute?«, fragte Hogart, als sie in einem ausgewaschenen blauen Jogginganzug die Tür öffnete.
»Ich habe mir freigenommen.« Sabina bedeckte mit der Hand die Sprechmuschel des Handys. »Ich telefoniere seit Stunden mit dem Anwalt, der Kripo und Kurts Patienten«, flüsterte sie. Dann nahm sie das Handy wieder zum Ohr und sprach weiter, während sie durch den Vorraum ging.
Hogart betrat die Wohnung. In der Küche lief das Radio. Der Geruch von Kaffee, Toastbroten und Omelettes lag noch in der Luft. Darüber hing ein Duft, den er nicht genau zuordnen konnte - entweder von Duftkerzen oder Räucherstäbchen.
Hogart streifte die Schuhe ab, da ihn Sabina eigenhändig erwürgen würde, falls er auch nur einen Schmutzkrümel auf dem hellen Perserteppich zertreten hätte. Während Sabina auf der Wohnzimmercouch telefonierte, lief er zum Ende des Vorraums. Die Tür zu Tatjanas Zimmer stand offen. Ein eigenhändig gebasteltes Poster ihrer Band Johnny Depp klebte an der Tür, das sie selbst mit ihrem Künstlernamen Spider signiert hatte.
Hogart sah sich um, bis er das Festnetztelefon auf der Kommode fand. Nachdem der Killer Ostrovskys Video aus seiner Wohnung gestohlen hatte, gab es nur noch eine Möglichkeit, Kurt in dem Mordfall zu entlasten. Hogart wollte das Band des Anrufbeantworters zurücklaufen lassen, doch das Gerät war eine digitale Box mit Speicherkarte. Noch besser! Er drückte den Menüpunkt für die Anrufliste, um sich die aufgenommenen Anrufe vom Freitagabend anzuhören. Einer davon musste von Ostrovsky stammen, der Kurt bat, das versteckte Video in seinem Haus zu finden. Diese Aufnahme würde einerseits beweisen, dass das Video tatsächlich existierte, und zugleich erklären, weshalb sich Kurts Fußspuren und Fingerabdrücke am Tatort befanden.
Hogart fand keine Einträge auf dem Display. Schließlich betätigte er die Wiedergabetaste und lauschte, doch das Gerät
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