Die Engelsmuehle
Nervenzusammenbruch.«
»Was haben sie gefunden?«, wiederholte Hogart.
»Ich habe sie am Handy darüber reden hören. Eine Schachtel mit fünfzig Milligramm Botox von der Firma Allergan, einige Pfeilspitzen und ein Blasrohr.«
»Scheiße!« Hogart fegte die Papiere vom Schreibtisch.
»Wie ist das in unsere Wohnung gekommen?« Tatjanas Stimme kippte.
Hogart dachte an den Schlüssel, der stets unter einem der Oleanderstöcke verborgen lag. Einmal im Treppenhaus, hatte der Killer nicht mal die Tür aufbrechen müssen, um in die Wohnung zu gelangen und die belastenden Beweise zu verstecken. Tausende Gedanken schossen Hogart durch den Kopf. Woher wusste der Killer, dass die Kripo Kurts Wohnung durchsuchen würde?
»… hörst du mir zu?«
»Was?« Hogart sah auf.
»Ich sagte, Mutter hat einen Nervenzusammenbruch und Oma ist auf dem Weg hierher.«
»Welche Oma? Meine Mutter?« Tatjana nickte.
Seine Mutter konnte er jetzt am allerwenigsten brauchen. »Mein Vater ist doch kein Mörder, oder?« Tränen standen in Tatjanas Augen.
»Nein, das ist er nicht, aber er steckt verdammt tief in der Klemme.« Hogart biss sich auf die Lippe. Er konnte ihr unmöglich erzählen, dass ihr Vater ein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte. Der Killer war einfach zu clever. Er besaß die Möglichkeit, an Informationen ranzukommen, und spielte sie gegen Kurt aus. Schon bald würde nicht einmal Victoria Bergers Aussage für Kurts Alibi ausreichen.
»Worum geht es bei den Morden?«, fragte Tatjana.
»Es ist zu kompliziert, dir das alles zu erklären.« Hogarts Gedanken überschlugen sich.
»Wie kann ich dir helfen?«
Er schüttelte den Kopf. »Kleine, leider kannst du mir nicht …« Er hielt inne. Plötzlich kam er auf eine Idee. Er griff in die Hosentasche und holte den Schlüssel hervor, den er in Alfred Faltls Wohnung gefunden hatte.
»Ich muss herausfinden, zu welchem Schließfach der passt.« Er legte den silberglänzenden Schlüssel mit der Nummer 816 auf den Tisch. »Und zwar so rasch wie möglich.«
Tatjana sah ihn fragend an.
»Ich vermute, es befinden sich brisante Beweise in dem Schließfach und der Mörder ist hinter diesen Informationen her. Aber es ist unmöglich herauszufinden, was damit geöffnet werden kann.«
»Frag doch denjenigen, dem der Schlüssel gehört.«
»Der ist leider tot.«
»Was war er von Beruf?«
Hogart lief durch den Raum. »Es dauert zu lange, dir das alles zu erklären.«
Demonstrativ setzte sich Tatjana auf die Kante des Schreibtischs und sah Hogart fragend an. »Du hättest schon längst zu erzählen beginnen können.«
Hogart seufzte. »Doktor Faltl war etwa fünfundsechzig Jahre alt und schon seit einiger Zeit im Ruhestand. Er war Oberarzt der Unfallchirurgie im Kaiserin-Elisabeth-Spital, hatte Spielschulden auf der Trabrennbahn, besaß kein Auto, fuhr ohne gültigen Fahrschein mit der U-Bahn und wohnte in einer miesen Gegend. Er war geschieden, hatte aber eine Tochter und ein Enkelkind. Das war’s.« Hogart hob die Augenbrauen. »Und er wusste etwas, das den Mörder belasten könnte.«
Tatjana drehte den Schlüssel zwischen den Fingern. »Dieses Schließfach ist an einem Ort, an dem es zumindest mehr als achthundert Möglichkeiten gibt, etwas aufzubewahren. Die Kleiderkabine in einem Freibad?«
Hogart schüttelte den Kopf. »Der Schlüssel lag mehrere Jahre lang in einer Staubzuckerpackung versteckt.«
»Die Bibliothek einer Universität?«, vermutete Tatjana.
»Schließfächer an Unis werden in den Sommerferien geleert und zu Semesterbeginn neu vergeben.«
»Das Fach in einem Busbahn- oder Schnellbahnhof, einer zentralen U-Bahnstation oder einem anderen großen Verkehrsknotenpunkt.«
»Das trifft es wohl eher.«
»Zeig mir, wo dieser Faltl wohnte und wo das Krankenhaus liegt, in dem er arbeitete.« Tatjana senkte verschwörerisch die Stimme. »Wenn er seit einigen Jahren im Ruhestand war, er den Schlüssel aber schon davor besaß und stets mit der U-Bahn zum Dienst gefahren ist, handelt es sich womöglich um einen Bahnhof, der auf dem Weg zur Arbeit liegt.«
Rasch öffnete Hogart die Schreibtischschublade und zog zwischen den Fotos und Büromaterialien Kurts Stadtplan hervor. Er faltete das Papier auf dem Tisch auseinander. In diesem Moment hörten sie Schritte vor der Tür.
»Schnell, zeig mir, wo er wohnte«, zischte Tatjana. »Hier in Meidling liegt die alte Wohnhausanlage am Schöpfwerk … und dort im fünfzehnten Bezirk das Kaiserin-Elisabeth-Spital.«
»U3
Weitere Kostenlose Bücher