Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
Vom Netzwerk:
war sie so vereinnahmt worden, noch nicht einmal, als sie Grace im letzten Stadium ihrer Krankheit beigestanden hatte. Manchmal war sie so erschöpft, dass sie zwischen den Stillzeiten kaum etwas anderes tun konnte, als mit Comfort zu dösen.
    Bei den Haymakers hätte Honor deswegen kein schlechtes Gewissen gehabt, denn jungen Müttern wurden nach der Geburt mehrere Wochen zur Erholung zugestanden. Doch weil sie bei Belle zu Gast war, befürchtete sie, als faul und träge aufzufallen, insbesondere wenn sie nach unten in den Laden kam, statt in dem Schlafzimmer liegen zu bleiben, das Belle ihr zugewiesen hatte. Obwohl Belle sich weder am Babygeschrei noch an ihrer Untätigkeit zu stören schien, bestand Honor darauf, ihrer Freundin in Comforts kurzen Schlafphasen so viele Näharbeiten wie möglich abzunehmen. In ihrer Müdigkeit verlor sie jedoch immer wieder den Faden aus der Nadel, und ihre Nähte wurden schief.
    Comfort gewöhnte sich schnell daran, von ihrer Mutter im Schaukelstuhl gewiegt zu werden, und wachte jedes Mal schreiend auf, wenn Honor versuchte, sie in den mit einem Quilt ausgeschlagenen Korb umzubetten, den sie von Belle bekommen hatte. Honor hätte heulen können vor Ratlosigkeit und Erschöpfung. Mutter hätte gewusst, wie ich sie zum Schlafen bringe, dachte sie. Oder Judith Haymaker.
    Belle beobachtete, wie Honor sich mit dem schreienden Baby abmühte. »Sie braucht eine Wiege«, bemerkte sie spitz.
    Honor presste die Lippen zusammen und sagte nichts. Am Tag nach Comforts Geburt hatte Belle die Haymakers benachrichtigt, und Jack war zu Besuch gekommen.
    Honor war überrascht gewesen, wie sehr sie sich über seinen Anblick freute. Als er seine Tochter in den Armen hielt und stolz ihr schlafendes Gesicht betrachtete, empfand Honor dasselbe freudige Gefühl, das sie verspürte, wenn sie Patchworkteile zusammennähte und sah, dass sie perfekt ineinanderpassten. »Sie hat deine Haare und deine Augen«, bemerkte sie. Es waren seit Monaten die ersten Worte, die sie zu ihrem Mann sagte.
    Jack lächelte erleichtert. »Es tut gut, deine Stimme zu hören.«
    Honor lächelte zurück. »Und deine. Ich habe dich vermisst.« In diesem Moment meinte sie es auch so.
    Â»Ich habe eine Wiege für das Baby gemacht. Mutter sagt …« Jack unterbrach sich. »Sie kann in der Wiege schlafen, wenn sie auf den Hof zurückkommt.«
    Honor zog unwillkürlich die Schultern hoch, und wie als Antwort begann Comfort zu weinen. Jack musste sie zurück in Honors Arme legen, und das kurze Gefühl, eine Familie zu sein, war verflogen.
    Â»Honor, warum bist du weggelaufen?«, fragte Jack. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wir alle haben uns Sorgen gemacht.«
    Honor legte Comfort an ihre Brust. Das erste Ansaugen des Babys war so schmerzhaft, dass sie tief durchatmete.
    Â»Es war verantwortungslos«, fuhr Jack fort. »Stell dir vor, das Baby wäre gekommen, als du im Wald unterwegs warst, ganz allein und weit von jeder Hilfe entfernt. Ihr hättet beide sterben können.«
    Â»Ich war nicht allein.«
    Beim Gedanken an die entlaufene Sklavin verfinsterte sich Jacks Miene.
    Honor widerstand der Versuchung, sich wieder ins Schweigen der vergangenen Monate zurückzuziehen. »Ich möchte sie Comfort nennen«, sagte sie. »Comfort Grace Haymaker.«
    Â»Warum hast du Jack nicht gebeten, die Wiege herzubringen?«, fragte Belle, nachdem er gegangen war. Offenbar hatte sie ihnen zugehört.
    Â»Weil sie ein Druckmittel seiner Mutter ist. Die Wiege wartet auf Comfort, aber sie bekommt sie nur, wenn ich zu ihnen zurückkomme.«
    Belle sah aus, als würde sie sich mühsam einen Kommentar verkneifen.
    Auch viele Kundinnen empfahlen eine Wiege, wenn sie sahen, wie schwer es für Honor war, Comfort zum Schlafen zu bringen. »So ein hübsches Baby! Aber wo ist seine Wiege?« »Hat das Baby denn keine Wiege, in der es schlafen kann?« »Sie sollten sich eine Wiege anschaffen, junge Frau.« Eines Morgens brachte der Sohn einer Kundin eine alte Wiege aus Hickoryholz vorbei, auf deren winziges Kopfteil Kirschen gemalt waren. »Ich habe da selbst schon als Baby drin geschlafen«, sagte er. »Ma hat sie für ihre Enkel aufbewahrt, aber ich gehe in den Westen und brauche noch keine Wiege. Und wenn es so weit ist, kann ich mir dort eine neue machen. Sie können diese gern haben.« Noch bevor

Weitere Kostenlose Bücher