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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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meinen Mann vergrault hat. Aber hör zu, Schätzchen, du darfst deine Gedanken nicht an hoffnungslose Fälle verschwenden. Für dich sollte nur noch zählen, was für sie am besten ist.« Sie nickte zu der Wiege hin, in der Comfort lag und friedlich schlief. Sie hatte die Ärmchen über den Kopf geworfen wie die Siegerin in einem Wettrennen.

Belle Mills’ Putzmacherei
    Main Street
    Wellington, Ohio
    1. des 10. Monats 1851
    Liebste Biddy,
    ich habe Dir schon so lange nicht mehr geschrieben, dass Du Dich sicher schon fragst, warum Deine alte Freundin Dich so vernachlässigt. Bitte entschuldige. Ich bin über mehrere Monate ganz im Schweigen versunken und konnte mit niemandem sprechen und auch niemandem mehr schreiben. Ich hoffe, Du kannst mir verzeihen. Mittlerweile spreche ich wieder, auch wenn ich immer noch sparsam mit den Worten umgehe.
    Sicher ist Dir die Adresse aufgefallen, unter der ich schreibe. Ich lebe schon seit einem Monat hier in Wellington. In einem meiner ersten Briefe habe ich Dir bereits von der Putzmacherin Belle Mills erzählt, die mich so freundlich aufgenommen hat, als ich in Ohio ankam. Die Erinnerung an diese Freundlichkeit hat mich zu Belle zurückgebracht, als ich auch eine andere Richtung hätte einschlagen können.
    Von meinen Eltern hast Du bestimmt schon erfahren, dass ich Mutter einer Tochter geworden bin. Sie heißt Comfort und wurde direkt nach meiner Ankunft bei Belle geboren. Comfort ist ein hübsches Baby mit blonden Haaren und großen blauen Augen, die ständig wach und aufmerksam schauen, als wisse sie bereits ganz genau, was sie will. Und sie sorgt dafür, dass es alle erfahren, denn sie schreit viel. Da sie zu früh zur Welt kam, ist sie noch recht klein und hat vielleicht auch deswegen ständig Hunger. Doch sie wächst schnell. Schon jetzt kann ich mir ein Leben ohne Comfort nicht mehr vorstellen.
    Du wirst Dich wahrscheinlich fragen, warum ich nicht in Faithwell bei meinem Mann und seiner Familie bin. Es ist schwer zu erklären, aber ich habe es dort einfach nicht mehr ausgehalten. Die Haymakers waren nicht unfreundlich zu mir, doch sie sehen die Welt mit anderen Augen. Mit Hilfe einer entflohenen Sklavin, die in Richtung Süden unterwegs war, um ihre Kinder zu holen und in den Norden zu bringen, habe ich den Hof verlassen. Ich weiß, dass es wenig Grund gibt, eine Farbige zu beneiden, aber ich habe die Selbstsicherheit und Entschlossenheit dieser Frau bewundert. Seit Samuel unser Verlöbnis aufgelöst hat, habe ich alles Vertrauen in mich selbst verloren. Es ist schwer, so lange ohne jeden Halt zu leben.
    Jack hat Comfort und mich schon mehrmals besucht, und jedes Mal fragt er, wann ich wieder nach Hause komme. Ich weiß nicht, was ich ihm darauf antworten soll.
    Auch Judith Haymaker war schon zweimal hier, was um einiges schwerer zu ertragen war, da sie viel strenger ist als der liebevolle und nachsichtige Jack. In ihren Augen bin ich eine Schande für die Haymakers, und sie hat mir Dinge gesagt, die man von einer Freundin nicht erwarten würde. Vermutlich haben Ratlosigkeit und Enttäuschung sie dazu gebracht. »Ich hätte Jack niemals erlauben dürfen, dich zu heiraten«, hat sie beim letzten Besuch gesagt. »Alles, was du mit in unsere Familie gebracht hast, sind deine englischen Angewohnheiten, die nicht die unseren sind.« Dann hat sie mir mitgeteilt, dass der Ältestenrat von Faithwell beschlossen hat, mich auszustoßen und mir Comfort wegzunehmen, wenn ich nicht bis zum 1. des 11. Monats zurückkomme. Danach fiel es mir schwer, Comfort in Judiths Armen zu sehen, denn ich hatte Angst, sie würde sie mir gleich wegnehmen. Am liebsten hätte ich ihr gar nicht mehr erlaubt, sie zu halten. Comfort selbst mag ihre Großmutter auch nicht besonders. Sie hat zwar nicht geweint, aber sie hat ganz steif in Judiths Armen gelegen und die ganze Zeit ein finsteres Gesicht gemacht. Es war ein rundum verstörender Besuch, auch wenn ich dem Beispiel meiner Tochter gefolgt bin und nicht geweint habe.
    Am meisten habe ich mich über einen Besuch von Dorcas Haymaker gefreut, die mich dank der Hilfe eines freundlichen Bauern aus Faithwell, der sie auf dem Wagen mitnahm, einmal ganz allein besuchen konnte. Sie denkt wenigstens praktisch und hat mir Kleider, mein Nähkästchen und meinen Arbeitskorb mitgebracht, außerdem noch den Signaturquilt, den Du zusammen mit den Freundinnen in der

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