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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Honor ihm danken konnte, war er wieder verschwunden.
    Die Wiege war alt und klapprig, aber sie schaukelte, und Comfort schlief in ihr schnell ein. Danach konnte Honor das Bettchen mit dem Fuß bewegen und gleichzeitig nähen.
    Als Judith und Dorcas Haymaker zu Besuch kamen, brachten sie einen Korb Äpfel und einen Korb voll Käse mit. Beim Anblick der alten Wiege runzelte Judith die Stirn, doch als sie ihr erstes Enkelkind auf den Arm nahm, wurde ihr sonst so strenges Gesicht weich und von einem echten Lächeln erhellt. Honor unterdrückte den Impuls, ihrer Schwiegermutter das Baby zu entreißen, und saß steif und mit im Schoß gefalteten Händen da. Comfort ruderte mit den Ärmchen und drehte auf der Suche nach der Mutterbrust das Köpfchen hin und her. Ihre blauen Augen konnten noch nicht richtig fokussieren.
    Als Dorcas das Baby nahm, entspannte Honor sich. Noch nie hatte ihre Schwägerin so zufrieden gewirkt wie in dem Moment, als sie Comfort in ihren Armen wiegte. »Eine neue Familie ist nach Faithwell gezogen«, bemerkte sie. »Aus Pennsylvania. Sie sind auch Milchbauern.«
    Â»Sie sind unruhig in der Andacht«, brummte Judith. »Und der Vater redet, als sei er ein Prediger.«
    Sie saßen in der winzigen Küche. Die Tür zum Laden stand offen, und Honor spürte die belustigten Blicke der Kundinnen auf sich ruhen. Die nüchterne Kleidung der drei Quäkerinnen stand einfach in zu starkem Kontrast zu den bunten Federn und Blumen der Putzmacherin.
    Dann begann Comfort zu weinen, und Honor streckte die Arme nach ihrer Tochter aus.
    Es war Abend geworden. Die beiden Haymakers waren längst nach Hause gegangen, und das Baby schlief. Honor und Belle saßen nebeneinander und arbeiteten; Honor an einer grünen Winterhaube, die sie mit weißem Kaninchenfell einfasste, und Belle an einer grauen Haube mit hellblauem Seidenfutter.
    Â»Wie alt ist Dorcas?«, fragte Belle und hielt die Haube hoch, um kritisch die Krempe zu betrachten. »Ist die schief?«
    Â»Nein. Sie ist genauso alt wie ich.«
    Â»Verdammt, sie ist schief.« Belle begann die Naht wieder aufzutrennen. »Was meinst du, warum hat sie wohl die neue Familie erwähnt, die nach Faithwell gezogen ist?«
    Honor unterbrach ihre rhythmischen Nadelbewegungen nicht. »Weil die Menschen die Stille gern mit Worten füllen.«
    Â»Nein, Schätzchen, sie wollte etwas andeuten. Du hast nur nichts bemerkt, weil du so mit dem Baby beschäftigt warst, aber Dorcas hat nach der Erwähnung der neuen Familie still in sich hineingelächelt. Und deine Schwiegermutter hat ausgesehen, als hätte sie in einen sauren Apfel gebissen.«
    Honor hielt im Nähen inne und blickte Belle erwartungsvoll an. Gleich würde sie ihr die Antwort verraten, die sie sich eindeutig schon selbst gegeben hatte.
    Â»Ich glaube, da wird ein Ehemann für Dorcas rausspringen«, erklärte Belle schließlich.
    Honor begann wieder zu nähen. Eigentlich gab sie nichts auf Spekulationen, doch sie war froh, dass die Quilts, die sie Dorcas schuldete, fertig waren. Für ihre eigene Ehe musste Honor noch fünf Quilts machen, aber vorher wollte sie einen Kinderbettquilt für Comfort nähen. Allerdings hatte sie sich noch für kein Muster entschieden. Sie musste ihre Tochter erst noch besser kennenlernen.
    Sobald Honor sich etwas kräftiger fühlte, ging sie mit Comfort in Wellington spazieren. Da fast alle Einwohnerinnen Wellingtons ihre Hauben und Hüte bei Belle kauften oder oft auch nur zum Stöbern vorbeikamen, kannte Honor bereits viele Frauen im Ort, die ihr nun zunickten oder sie grüßten, wenn sie sich auf der Straße begegneten. Wahrscheinlich würden die Frauen sich das Maul über sie zerreißen, sobald sie außer Hörweite war, denn eine mit der Familie ihres Ehemanns zerstrittene Quäkerin war einfach ein unwiderstehliches Klatschthema. Honor drehte sich bewusst nicht zu ihnen um, wenn sie die Köpfe zusammensteckten, die Stimmen senkten und sich Blicke voller Häme und gespieltem Entsetzen zuwarfen. Doch ihr gegenüber taten die Frauen Wellingtons freundlich, mehr konnte Honor nicht erwarten.
    Oft nahm sie Comfort mit, um den Zug anzuschauen, der auf dem Weg nach Columbus oder Cleveland durch Wellington fuhr. Anfangs erschrak Honor noch vor der Größe und dem Krach des im Bahnhof dampfenden und fauchenden Eisenrosses, und auch Comfort brachte das

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