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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Frauen gehorsam eine nach der anderen den Laden verließen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Neuerdings schien sie in allen Lebensbereichen von anderen abhängig zu sein: Fremde Menschen bestimmten, wo sie wann hinging und wie lange sie dort blieb, was sie aß und sogar, was sie nähte. Anscheinend erwartete diese Frau, die sie gerade erst kennengelernt hatte, dass sie Hauben für sie machte. Tränen schossen ihr in die Augen.
    Sicher hatte Belle Mills gesehen, dass Honors Augen feucht wurden, doch sie sagte nichts, sondern hängte ein GESCHLOSSEN -Schild in die Tür und ging in die Küche. Dort schlug sie mehrere Eier mit einem Stück Schinkenspeck in eine Pfanne. »So, jetzt essen Sie was«, befahl sie wenige Minuten später und stellte zwei Teller auf den Tisch. Mit Kochen verschwendete Belle eindeutig nicht viel Zeit. »Schauen Sie, dort stehen noch Maisbrot und Butter. Bitte bedienen Sie sich.«
    Honor blickte auf den fetten Speck, die Eier mit den Fettaugen und das klebrige Maisbrot, das man ihr bislang zu jeder Mahlzeit in Amerika vorgesetzt hatte. Es widerstrebte ihr, irgendetwas davon anzurühren, doch da Belle sie nicht aus den Augen ließ, überwand sie ihren Ekel, schnitt ein winziges Dreieck vom Schinken ab und steckte es sich in den Mund. Der süß-salzige Geschmack überraschte sie und öffnete eine Tür in ihrem Magen. Honor langte beherzter zu und aß sogar das Maisbrot, das sie eigentlich so leid war.
    Belle nickte. »Dachte ich mir doch. Sie haben ganz schön blass ausgesehen. Wann sind Sie denn in England aufgebrochen?«
    Â»Vor acht Wochen.«
    Â»Und wann ist Ihre Schwester gestorben?«
    Honor musste kurz nachdenken. »Vor vier Tagen.« Es fühlte sich bereits wie Monate an und schien weit hinter ihr zurückzuliegen. Die vierzig Meilen zwischen Hudson und Wellington hatten sie tiefer in eine andere Welt hineingeführt als der ganze Rest der Reise.
    Â»Ach, Schätzchen, kein Wunder, dass Sie so blass um die Nase sind. Thomas hat gesagt, Sie wollen weiter nach Faithwell, zum Verlobten Ihrer Schwester?«
    Honor nickte.
    Â»Gut. Ich hab Adam Cox schon geschrieben, dass Sie hier sind, und ihm gesagt, er soll Sie Sonntagnachmittag abholen. Ich dachte, Sie brauchen erst ein paar Tage Ruhe. Wenn Sie wollen, können Sie mir ein bisschen beim Nähen helfen und sich Ihren Unterhalt verdienen.«
    Honor wusste nicht einmal mehr, welcher Wochentag es war. »In Ordnung«, erklärte sie sich blindlings einverstanden. Plötzlich war sie erleichtert, Belle das Kommando überlassen zu können.
    Â»Und jetzt will ich sehen, wie Sie sich mit der Nadel anstellen. Haben Sie Ihre eigenen Nähsachen dabei, oder wollen Sie meine benutzen?«
    Â»Ich habe ein Nähkästchen dabei, aber es ist in meiner Truhe eingeschlossen.«
    Â»Oh, dieser verfluchte Donovan! Wahrscheinlich könnte ich die Truhe mit Hammer und Stemmeisen aufkriegen, aber Sie müssten in Kauf nehmen, dass dabei das Schloss kaputtgeht. Soll ich? Ich befürchte, uns bleibt keine andere Wahl.«
    Honor nickte.
    Â»Sie spülen ab, und ich nehme mir die Truhe vor.« Belle blickte prüfend über den Tisch, auf dem Honors sauber gewischter Teller und ihr eigener standen, auf dem sie kaum etwas angerührt hatte. Sie nahm den vollen Teller, stellte ihn auf die Anrichte und legte eine Serviette darüber. Dann verschwand sie die Treppe hoch. Als Honor wenige Minuten später die Pfanne schrubbte, hörte sie von oben lautes Hämmern und dann einen Triumphschrei.
    Â»Englische Schlösser sind auch nicht besser als amerikanische«, verkündete Belle, als sie die Treppe herunterkam. »Ich habe es aufgebrochen, gehen Sie hoch und holen Sie sich Ihre Nähsachen. Ich mach das hier fertig.«
    Als Honor mit ihrem Nähkästchen nach unten kam, schob Belle gerade einen Schaukelstuhl durch die Hintertür. »Wir setzen uns auf die hintere Veranda, da weht ein kühles Lüftchen. Wollen Sie diesen Schaukelstuhl oder lieber einen normalen Stuhl?«
    Â»Ich bringe mir einen normalen Stuhl mit hinaus.« In Amerika hatte Honor in fast jedem Haus Schaukelstühle gesehen, sie waren hier viel weiter verbreitet als in England. Doch sie fühlte sich in ihnen nicht wohl, denn das Schaukeln erinnerte sie zu sehr an das Schiff. Außerdem brauchte sie zum Nähen völlige Ruhe.
    Als sie den Stuhl aus der Küche holte, fiel ihr

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