Die englische Freundin
Laden. »Thomas kommt morgen mit einer Lieferung«, sagte sie zu Belle. »Es ist eine groÃe Lieferung. Sieh zu, dass du genügend Platz schaffst.«
Belle nickte. »Danke, Mary«, sagte sie, ohne die Nadeln aus dem Mund herauszunehmen. Sie steckte gerade ein Rüschenband an einer weinroten Haube fest.
»Ich habe dir Scheite und Reisig bestellt, ist das in Ordnung?«
»Aber natürlich. Wie gehtâs denn deiner kleinen Enkelin? Hier, bring ihr ein Haarband mit, so etwas können kleine Mädchen doch immer brauchen.«
»Danke. Kann ich auch zwei bekommen?« Die Frau suchte sich aus einem Korb auf der Ladentheke zwei rote Bänder aus und wandte sich zum Gehen. In der Tür blieb sie noch einmal zögernd stehen. »Ist alles in Ordnung mit dir, Belle? Du bist in letzter Zeit so schmal geworden.«
»Ein Bandwurm. Das wird schon wieder.«
Honor, die im Schaukelstuhl saà und Comfort stillte, blickte auf. Die Knochen in Belles kantigem Gesicht traten noch markanter hervor, und ihre dunkelbraunen Augen glühten ungesund.
»Belle«, hob Honor an, nachdem die Frau gegangen war.
»Keine Fragen.« Belle schnitt ihr gleich das Wort ab. »Normalerweise kann ich mich auf dein Schweigen verlassen. Enttäusch mich nicht und halte es weiter so. Bist du fertig mit der Kleinen?«
Honor nickte.
»Gut. Könntest du ein bisschen im Laden aufpassen? Ich muss Platz für die Holzlieferung schaffen.« Noch während Honor sich abmühte, Comfort schlafend in die Wiege umzubetten, verschwand Belle. Vielleicht spürte Comfort, dass mit Belle gerade nicht zu spaÃen war, denn sie schlief brav weiter, und Honor konnte die Kundinnen bedienen, die im Lauf der nächsten Stunde in den Laden kamen, während Belle im Schuppen die letzten Holzvorräte umschichtete. Zu ihrer Ãberraschung hörte Honor Belle zwischendurch mehrmals die Treppe nach oben gehen, wusste aber, dass sie besser keine Fragen stellte.
Als es am Nachmittag des nächsten Tages zu dämmern begann und Belle die Lampen anzündete, kam ein Mann mit einer Wagenladung Holz vorgefahren. In dem Moment, als er zur Tür hereinkam, Belle begrüÃte und ihr selbst zunickte, erkannte Honor ihn. Es war der alte Mann, der sie vor über einem Jahr aus Hudson mitgenommen hatte. »Hab gehört, Sie hätten was Kleines bekommen«, sagte Thomas. »Das ist gut.«
Honor lächelte. »Ja, das ist es.«
Belle ging mit Thomas hinters Haus, und Honor blieb bei den beiden Kundinnen im Laden: Eine junge Frau und ihre Mutter suchten nach einem geeigneten Futter für ihre Winterhauben und konnten sich lange nicht entscheiden. Endlich trafen sie ihre Wahl und zahlten. Als sie den Laden verlieÃen, kam Thomas zurück, um seinen Wagen zu holen und hinters Haus zu fahren.
»Ich gehe mit raus und helfe ihm das Holz abladen«, sagte Belle. »Falls Kundinnen kommen, kümmere dich bitte um sie und halte sie bei Laune, bis ich wieder da bin.« Einen Moment lang sah sie Honor in die Augen, dann drehte sie sich um und eilte durch die Küche zur Hintertür hinaus.
Kaum war Belle verschwunden, hörte Honor auch schon Donovans Pferd die StraÃe entlangtraben. In dem Moment begriff sie, was vor sich ging. Sie schloss die Augen und betete, dass Donovan vorbeireiten möge.
Doch ihr Gebet wurde nicht erhört. Durchs Fenster beobachtete Honor, wie Donovan die Zügel über die Pferdestange vorm Haus warf und in Richtung Ladentür marschierte. »Wo ist Belle?«, fragte er noch in der Tür. Sein Blick streifte Comfort in der Wiege, dann heftete er ihn auf Honor.
»Sie ist hinterm Haus und hilft, das Holz abzuladen.«
DrauÃen näherte sich eine Frau über die Planken des Gehwegs. Vorm Laden wurden ihre Schritte langsamer, sie schien einen Blick auf die Hauben im Schaufenster zu werfen. Bitte kommen Sie rein, flehte Honor im Stillen. Bitte! Doch die Frau eilte weiter, denn es wurde bereits dunkel: Zeit für ein unbegleitetes weibliches Wesen, nach Hause zu gehen.
»Aha, sie hilft Holz abladen! Dann entschuldige mich bitte, SüÃe, ich will mal kurz rausschauen, damit sie sich keine grünen Scheite aufschwatzen lässt.« Donovan trat um Honor herum und lief zielstrebig in Richtung Küche.
»Donovan â¦Â«
Er blieb stehen. »Was ist?«
Sie musste ihn irgendwie dazu bringen, bei ihr im Laden zu bleiben, auf keinen Fall
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