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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Gemeinde für mich gemacht hast. Sie hatte auch die Babysachen dabei, die ich genäht habe, bat mich aber, es Jack und Judith nicht zu verraten. Sie meint, es könne so aussehen, als glaube sie nicht mehr daran, dass ich zu ihnen zurückkomme. Es fiel ihr sehr schwer, mich zu bitten, den wahren Grund ihres Besuchs zu verheimlichen, denn es ist von uns beiden unehrlich.
    Das schönste Mitbringsel von Dorcas aber war Dein Brief. Ich habe mich sehr über ihn gefreut, vor allem, weil er die gute Nachricht enthielt, dass Du Anfang nächsten Jahres heiraten wirst. Wie sehr ich mir wünsche, ich könnte bei Dir sein und an Deinem Glück Anteil nehmen! Und natürlich würde ich gerne den Freund aus Sherborne kennenlernen, der Dein Herz erobert hat. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, dass Du mir wegen meiner Hochzeit den »Stern von Bethlehem« schicken musstest. Ich verspreche, ihn Dir so bald wie möglich zurückzuschicken, auch wenn die Familie aus Sherborne es mit der Anzahl an Quilts, die man mit in die Ehe bringen sollte, vielleicht nicht so genau nimmt wie die Haymakers.
    Belle ist sehr gut zu mir. Sie fragt nicht viel, sondern überlässt es mir, ob ich reden will. Statt mir Vorwürfe zu machen oder zu fragen, wie lange ich noch vorhabe zu bleiben, gibt sie mir einfach Arbeit. Meine Nähkünste gefallen ihr sehr und vielen anderen Frauen in Wellington auch. Belle macht normalerweise keine Kleider, doch ich habe angefangen, Änderungs- und Flickarbeiten anzunehmen. Im letzten Monat habe ich von Belle auch viel übers Hutmachen gelernt, obwohl ich die Hüte natürlich niemals selbst tragen würde, weil sie für eine Freundin viel zu schick sind. Hübsch finde ich sie aber trotzdem, was natürlich falsch ist, weil die Federn und Blumen so frivol sind.
    Wenn Comfort mich lässt, versuche ich ein wenig im Haushalt zu helfen. Belle kocht nur selten und isst auch nicht viel. Wenn ich etwas koche, sagt sie zwar, dass es gut riecht, isst dann aber nur einen oder zwei Happen. Die Kleider hängen alle lose an ihr herab. Ihre Haut und ihre Augen haben einen gelben Stich, deshalb vermute ich, dass sie an Gelbsucht leidet, auch wenn sie nicht darüber spricht.
    Ach, Biddy, ich bin gerade sehr verwirrt. Ich lebe in einem Teil des Landes, in dem alles in Bewegung ist, aber in welche Richtung ich mich bewegen soll, weiß ich nicht. Amerika ist wirklich ein sehr eigenartiges Land. Es ist jung und unerfahren, nichts ruht auf festen Fundamenten. Oft muss ich daran denken, dass es den Andachtsraum in Bridport schon seit fast zweihundert Jahren gibt. In der Stillen Andacht habe ich immer die Kraft seiner Geschichte gespürt und die vielen Tausend Menschen, die im Lauf der Jahre schon in ihm saßen. Das hat mir Halt gegeben und das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Ich wusste, wo ich herkomme, und diese Gewissheit gibt dem Leben eine Leichtigkeit, die manche auch für Selbstgenügsamkeit halten mögen.
    In der Andacht in Faithwell fühlte ich mich nie so sicher und aufgehoben, was nicht nur daran liegt, dass das Gebäude so neu ist und aus Holz statt aus Stein gebaut wurde. Auch die Gemeinde ist nicht richtig in sich gefestigt – niemand ist schon wirklich lange hier, und niemand weiß, wie lange er noch bleiben wird. Viele reden davon, weiter in den Westen zu ziehen. In Amerika ist das die Lösung für viele Probleme. Wenn die Ernte schlecht ausfällt, wenn man Streit mit den Nachbarn hat oder sich einfach in einer schwierigen Situation befindet, nimmt man einfach seine Siebensachen und zieht weiter gen Westen. Das hat natürlich zur Folge, dass der Zusammenhalt der Familie hier noch wichtiger ist als bei uns. Umso schlimmer ist es, dass mir meine amerikanische Familie keinen Halt bietet, denn ich habe nicht das Gefühl, wirklich zu ihr zu gehören. Also muss ich mir überlegen, ob ich weiterziehen will. Ich weiß nur noch nicht, in welche Richtung es gehen soll.
    Im Moment ist es deshalb am besten, wenn Du mir an Belles Adresse schreibst. Ich weiß noch nicht, wo ich in vier Monaten sein werde, wenn mein Brief Dich erreicht hat und Du mir zurückgeschrieben hast. Doch Belle wird wissen, wo ich bin.
    Bitte habe Geduld mit mir, Biddy. Mit Gottes Hilfe werden wir uns wiedersehen.
    Deine treue Freundin,
Honor

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