Die englische Rose
„Sag nicht, dass es Höhlenmalereien sind!" Beinah flehentlich blickte sie ihn an, damit er Ja sagte.
„Die hier sind nicht schriftlich belegt", erwiderte er lächelnd. „Es muss Tausende im ganzen Land geben. Wir möchten nicht, dass jemand von unseren erfährt. Sie sind historisch nicht bedeutend. Die Aborigines verleihen all ihren und Höhlen gern Leben und Farbe. Sehr viele sind an unzugänglichen Orten. Auch dieser hier ist nicht leicht zu finden. Wir haben erst vor kurzem davon erfahren. Die Aborigines aus dieser Gegend kennen ihn natürlich. Offenbar haben sie zu Lebzeiten meines Großvaters beschlossen, dass die Camerons genug Respekt vor ihrer Kultur haben, um davon unterrichtet zu werden."
Ihre Miene verriet Ehrfurcht und Begeisterung. „Warum wusste ich nicht davon?"
„Vielleicht hättest du es jemandem erzählt." Er bog einen Ast zurück, damit sie die Höhle betreten konnten.
Francesca warf einen Blick hinein. „Du hättest mir vertrauen können."
„Ich vertraue dir jetzt", bemerkte er trocken. „Ich brauche dein Haarband."
„Wirklich?" Überrascht drehte sie sich um und hielt still, als er das Band abnahm.
Als ihr Zopf sich löste, lächelte Grant. Sie hatte das schönste Haar, das er je gesehen hatte. „Keine Angst, Francesca, du bekommst es zurück. Ich möchte nur den Ast zurückbinden, damit etwas Licht in die Höhle fällt."
„Du kannst es behalten. Als Erinnerung", sagte sie lässig, erschauerte jedoch, als sie den verlangenden Ausdruck in seinen Augen sah. Sie konnte den Blick nicht abwenden.
Und sie war unfähig, sich zu bewegen. Nachdem er den Ast zurückgebunden hatte, umfasste er ihren Arm und führte sie ein Stück zur Seite.
„Bleib einen Moment hier stehen, bis ich mich vergewissert habe, dass kein Tier in der Höhle ist."
Francesca schauderte leicht. „Solange es keine Fledermäuse sind."
Kurz darauf kehrte Grant zurück. Er wirkte so männlich, dass sie ein heftiges Prickeln verspürte. „Alles in Ordnung. Ich hatte ganz vergessen, wie schön die Malereien sind."
Sobald sie die Höhle, deren Boden mit Sand bedeckt war, betreten hatten, richtete Francesca sich auf. Staunend betrachtete sie die Wände, die über und über mit Zeichnungen bedeckt waren. An der hinteren Wand waren stark stilisierte Muster in Ocker, Rot, Gelb, Grau, Schwarz und Weiß, die sie nicht verstand, aber sehr interessant fand. An der Decke, die ungefähr drei Meter hoch war, waren Menschen zu erkennen -
Männer und Frauen beim Liebesakt in verschiedenen Positionen, beobachtet von Totemfiguren oder Geistern. Die Seitenwände zeigten Zeichnungen von Kängurus, Emus, Reptilien, Fischen, Vögeln und Tieren, die wie gigantische Insekten aussahen. Die Darstellungen waren stark vereinfacht, aber akkurat und bezaubernd, das Ganze eingerahmt von Handabdrücken.
„Das kann ich mir unmöglich alles an einem Tag ansehen." Unwillkürlich sprach Francesca ganz leise, denn von diesen Höhlenmalereien ging eine mystische Kraft aus.
Und die Darstellungen der Paare beim Liebesakt ließen sie sogar erröten.
„Und was schlägst du vor?" Grant sprach ebenfalls leise, und seine Stimme hallte in der Höhle wider.
„Ich weiß nicht! Diese Zeichnungen sind wunderschön. Wen hast du sonst noch hierher gebracht?" Sie sehnte sich danach, dass er sie berührte. Handelte es sich bei diesen Höhlenmalereien um Liebeszauber? Jetzt wehte eine leichte Brise herein, und das Geräusch, das sie in der Höhle erzeugte, erinnerte an das eines Didgeridoo. Erst jetzt bemerkte Francesca die winzigen Spuren auf dem sandigen Boden, die offenbar von Spinnen oder Echsen stammten. Auch Grants und ihre Fußabdrücke waren zu sehen. Ihre waren viel kleiner.
„Ungefähr hundert Frauen", sagte Grant mit einem schroffen Unterton.
„Waren die alle in dich verliebt?" Schnell drehte sie sich zu ihm um. Ihr war klar, dass sie - außer ihrer Cousine Ally - die erste Frau war, die nicht zur Familie gehörte, die er mit hierher genommen hatte.
„Ich war noch nie richtig verliebt, außer in dich — leider", gestand er beinah rau, und seine Züge wirkten plötzlich angespannt.
Francesca räusperte sich. „Und das ist tabu?"
„Ja, das ist es, Francesca."
Unwillkürlich legte sie sich die Hand auf die Brust. „Du meinst, mein Titel ist ein großes Hindernis?"
„Dein Titel ist das kleinste Hindernis", erwiderte er. „Das, was dein Titel mit sich bringt, ist schon eher eins, aber das größte Problem ist, dass du in diesem Klima
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