Die englische Rose
Stadtleben liebt, ist die Stadt das einzig Wahre. Ich bin im Grunde meines Herzens immer ein Mädchen vom Lande gewesen. Ich bin wie mein Vater. Ich liebe das Landleben."
„Das hier hat nichts mit dem zu tun, was du gewohnt bist, Francesca", erinnerte Grant sie.
„Natürlich", bestätigte sie. „Allein die Dimensionen. Es ist eine seltsame Schönheit.
So urzeitlich. Man ist sich ständig des Alters des Landes bewusst, und trotzdem ist es mir nicht fremd. Siehst du das denn nicht?"
„Du bist eine typische Engländerin, Francesca."
„Und du könntest ein typischer Schotte sein, stur wie du bist", erwiderte sie heftig.
Er neigte den Kopf. „Jedenfalls bin ich sehr gern mit dir zusammen. Ich mag deine Gelassenheit, deine Anmut und dein Temperament, das ab und zu durchbricht."
„Aber du wehrst dich gegen alles, was über eine enge Freundschaft hinausgeht, stimmt's?"
„Eigentlich finde ich, dass ich mich tadellos benehme, während wir versuchen, einige Dinge zu klären."
„Ich werde dich daran erinnern, wenn du verheiratet bist und eine Familie gegründet hast." Francesca rang sich ein Lächeln ab. „Aber du hast mir noch nicht gesagt, was du von Myora als Platz für ein Haus hältst."
„Findest du nicht, dass ich das lieber meine zukünftige Frau fragen sollte?" erkundigte er sich mit einem spöttischen Unterton.
„Nicht unbedingt. Ich bin hier auch zu Hause. Ich stamme von Cecilia Kinross ab, die ihren Verwandten Ewan Kinross geheiratet hat, obwohl sie eigentlich Charles Cameron geliebt hat."
Grant stöhnte auf. „Die Geschichte kursiert schon lange."
„Und bestimmt ist sie wahr. Was meinst du? Es muss doch einen Grund dafür gegeben haben, dass Cecilia sich von dem Mann, den sie geliebt hat, abgewandt hat. Dann war da noch die berühmte Kette. Cecilias Kette. Beide Männer haben sie ihr geschenkt."
„Ich mag deinen Akzent", wechselte er das Thema, weil er wusste, wohin das führte.
„Ich deinen auch." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. „Aber um wieder aufs Thema zurückzukommen, vielleicht hat Charles Cameron sich von Ewan Kinross ausbooten lassen. Vielleicht hat er Cecilia auszureden versucht, in Australien zu bleiben.
Damals muss das Leben hier sehr hart gewesen sein. Vermutlich fühlte er sich dazu verpflichtet, sie zu warnen. Vielleicht hat er sie sogar dazu gedrängt, nach Schottland zurückzukehren."
„Komischerweise überrascht es mich nicht, dass du das sagst", bemerkte er mit einem scharfen Unterton.
„Ich frage mich, was passiert ist." Sie trat einige Schritte zurück und blickte starr auf die mit Spinifex bewachsenen Ebenen.
„Meine Familie glaubt, dass Kinross Cameron ausgetrickst hat", erklärte Grant nach einer Weile. „Kinross hat Cecilia davon überzeugt, dass sein Freund einer anderen Frau versprochen war, einer Frau, die viel besser zu ihm passte. Es war die Frau, die Charles Cameron dann auch geheiratet hat. Aber was spielt das jetzt für eine Rolle? Die Familien wurden wieder vereint, doch mit der Freundschaft zwischen den beiden Männern war es vorbei. So ist es bei Verrat. Ein Mann wie Stewart Kinross hätte diese Rolle auch spielen können."
„Aber mein Großvater war nicht so", protestierte Francesca, der klar war, dass er ihren verstorbenen Onkel richtig einschätzte. „Sir Andrew wurde von allen geliebt und respektiert."
Das stimmte. „Tut mir Leid, Francesca", entschuldigte er sich. „Sir Andy war ein feiner Kerl. Lass uns jetzt nicht mehr über die Vergangenheit sprechen."
„Mir scheint es, als würde sie sich immer noch auf heute auswirken." Sie seufzte.
„Alle sind aufgewühlt, wenn sie über die Liebesgeschichte von damals reden."
„Eine Liebesgeschichte, die kein gutes Ende genommen hat", meinte er forsch. „Geh nicht so dicht an die Kante, da liegt eine Menge loser Schiefer."
Francesca gehorchte sofort. „Ich bin nicht lebensmüde. Aber es ist sehr faszinierend."
„Hast du genug gesehen?" Dass sie von ihrem Ausflug so begeistert war, rührte ihn.
„Vorerst ja. Aber du hattest mir eine Überraschung versprochen."
„Und ich werde mein Versprechen halten." Er nahm ihre Hand. Sie war so zart. „Wir nehmen einen anderen Weg nach unten."
Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie den kuppelförmigen Eingang zu der Höhle nicht gesehen, weil er von einer blühenden Grevillea verdeckt war.
„Wir sind da." Grant stützte sie, obwohl der Felsvorsprung ziemlich breit war.
„Du meine Güte!" Francesca verspürte ein Hochgefühl.
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