Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
Vom Netzwerk:
gestürzt, aber Bleich war sofort da und stütze mich.
    »Vielleicht sollten wir eine Pause machen.«
    »Wir sind gerade erst los.«
    »Vor zwei Stunden.«
    Ich war überrascht. In der Dunkelheit verlor man leicht Zeitgefühl und Orientierungssinn. Mit seiner Hand auf meinem Arm führte mich Bleich zu dem Sims an der Seite des
Tunnels. Vielleicht lag es an der Erschöpfung, aber alles um mich herum erschien hier noch dunkler. Auf dem Weg nach Nassau war es mir nicht aufgefallen, doch jetzt erdrückte mich die Dunkelheit, drohte mich zu ersticken. Mein Atem ging rasselnd und stoßweise, während ich mich auf den Sims hievte und versuchte, mich auszuruhen. Ich fummelte nach der Wasserflasche in meinem Beutel. Entsetzt stellte ich fest, dass nur noch ein paar kleine Schlucke darin waren. Getrocknetes Fleisch würde mich jetzt nur noch durstiger machen, also entschloss ich mich, nichts zu essen.
    »Das reicht«, sagte ich. »Es kann weitergehen.«
    Bleich sprang von dem Sims herunter. »Würdest du dich besser fühlen, wenn du vorausgehst?«
    »Ich glaube nicht.« Ich zögerte, wollte auf keinen Fall Schwäche zeigen, nicht einmal vor meinem Partner. »Ich könnte uns in die falsche Richtung führen.«
    »Ich halte dir den Rücken frei, Zwei.« »In Ordnung.« Vielleicht würde es mir ja tatsächlich guttun. Zumindest wäre ich dann von der Angst befreit, direkt hinter mir würden irgendwelche Monster lauern, die nur auf eine Gelegenheit warteten, mich zu packen und zu verspeisen.
    Vier weitere Stunden trotteten wir stumm dahin. Vor uns lag jetzt der finsterste Teil der Tunnel. Keine Risse in der Decke, kein Licht von oben; als Ausgleich mussten wir umso angestrengter horchen. Ich glaubte, Schritte gehört zu haben, aber als ich stehen blieb, verstummte das Geräusch. Vielleicht nur ein Echo.
    »Hast du es auch gehört?«, flüsterte Bleich.
    Dann schnappte etwas nach mir. Hände packten meine
Arme und rissen mich zur Seite. Bleich hechtete in meine Richtung, aber er verfehlte mich. Ich spürte den Luftzug, den seine plötzliche Bewegung verursachte, und hörte ihn nach mir tasten. Ich trat nach allen Seiten aus, während mein Entführer mich auf die Wand zu zerrte – oder auf das, was ich für eine Wand gehalten hatte –, bis ich in einem schmalen Spalt zwischen den Mauersteinen verschwand. Es gab keinen Platz, um zu kämpfen. Was auch immer mich da gepackt hielt, es hatte starke Hände und schleifte mich eine beachtliche Strecke mit. Ich versuchte, mich mit den Füßen am Boden festzukrallen, aber sie rutschten nur über die losen Steine. Jemand hatte noch weitere Tunnel neben denen aus der alten Welt gegraben, oder vielleicht waren sie auch schon immer da gewesen. Sie schienen älter zu sein, primitiver, eher natürlich gewachsener Fels als künstlich hergestellte Steine.
    Ein fahler Lichtschimmer in der Ferne erhellte das Gesicht meines Entführers. Er sah aus wie ein Mensch, mehr oder weniger, hatte aber größere Augen und war noch ein Stück kleiner als ich. Seine Haut schimmerte weiß. Sein Volk hatte sich den Bedingungen hier unten angepasst. Mit heftig pochendem Herzen fragte ich mich, wie wohl seine Zähne aussahen.
    »’ie folgn euch«, sagte er.
    Also war es doch nicht nur meine Fantasie gewesen. Ich hatte tatsächlich gehört, wie etwas uns in der Dunkelheit verfolgte. Ein Schauer lief mir über den Rücken, und ich bekam eine Gänsehaut.
    »Freaks?«
    »Wi’ nennen ’ie Fresser. Komm.«
    »Was ist mit meinem Partner?«

    Schulterzucken. »De’ wolln wi’ nich.«
    »Ich kann ihn nicht da draußen zurücklassen. Er wird sterben .«
    »Uns e’al. Komm.«
    Ich konnte Bleichs Schritte hören, sie entfernten sich, er rannte. Er rief noch nicht nach mir, weil das gefährlich war, aber er würde es bald tun. Er musste sich Sorgen machen – ich war vor seinen Augen einfach verschwunden. Ich hätte schreien können, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, aber davon wäre mein Entführer wohl wenig begeistert gewesen, und wahrscheinlich hätten meine Schreie die Freaks in rauen Mengen angelockt.
    Er brachte mich in einen Raum mit einer niedrigen, schrägen Decke. Ich konnte nicht mal aufrecht stehen. Zwanzig weitere von seiner Art huschten um mich herum, befingerten meine Haare und schnüffelten an mir. Nach mehreren Tagen in den Tunneln roch ich nicht allzu gut; sollten sie trotzdem irgendwas versuchen, waren sie tot – oder ich . Darauf würde es wohl hinauslaufen. Hier hatte ich genug Platz, um zu

Weitere Kostenlose Bücher