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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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es mal gewesen?«, fragte ich erstaunt.
    »Ja. Die Menschen kamen nur hier runter, um an einen anderen Ort zu reisen. Dann sind sie wieder nach Oben.«
    Ich staunte nur so über die seltsame Vorstellung. »Wurdest du Oben geboren?«
    »Du glaubst mir sowieso nicht, wenn ich jetzt ja sage«, murmelte er.
    Klar . Ich ignorierte den Impuls, mich zu entschuldigen, und vergrub mich stattdessen in den dünnen Büchern. Sie hatten ganz glatte, glänzende Seiten mit vielen Bildern darauf. Der Anblick des blauen Himmels und der grünen Pflanzen fesselte mich. Ich hatte noch nie etwas anderes wachsen sehen als einen Pilz.
    Schließlich verstaute ich sie in meiner Tasche und suchte den Rest des Raumes ab. Alles, was ich mit nach College brachte, würde dabei helfen, mein beschädigtes Ansehen bei Seide und den anderen Jägern wiederherzustellen. Schon seit langem hatte niemand mehr eine Schatzkammer wie diese hier gefunden. Ich durchwühlte sämtliche Regale und Möbel, und als ich alles eingepackt hatte, was sie in der Enklave vielleicht interessieren könnte, platzte mein Beutel beinahe. In den Schubladen des Tisches war haufenweise interessantes Papier, glatt und von bester Qualität, wenn auch ein bisschen vergilbt.
    »Gibt es noch mehr solche Orte wie den hier? Voller Relikte?«
    Bleich zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich.«

    Einen Moment lang spürte ich den Drang, nach weiteren zu suchen. Aber dann hätte Seide behaupten können, wir wären von unserem eigentlichen Auftrag abgewichen. Diesen Raum hier, das konnte ich mit voller Überzeugung behaupten, hatten wir rein zufällig gefunden. Mit Bedauern aß ich einen Bissen trockenes Fleisch und würgte etwas Wasser hinunter.
    Jetzt, da das große Staunen vorüber war, kam die Gegenreaktion. Ich erinnerte mich – ohne es zu wollen – an die Schrecken von Nassau. Um das Zittern unter Kontrolle zu halten, zog ich meine Knie an die Brust und schlang meine Arme um die Unterschenkel. Ich versuchte, meinen Atem zu beruhigen. Eine Jägerin bricht unter Druck nicht zusammen. Sie geht vielleicht ein wenig in die Knie, aber eine Jägerin kommt mit allem zurecht.
    Ich spürte, wie Bleich sich neben mich stellte. »Ist es dein Arm?«
    »Nein. Die Tatsache, dass alle in Nassau tot sind.« Ich hob meinen Kopf und blickte ihn an.
    »Ich könnte jetzt auch nicht schlafen«, gestand er.
    Er kniete sich neben mich, legte mir seine Decke über die Schultern und ließ seinen Arm um meinen Rücken gelegt. Vollkommen in mich zusammengesunken spürte ich seine Kraft umso deutlicher.
    Aber ich hatte noch genug Willenskraft, um mich zu wehren. »Das ist gegen die Regeln.«
    »Dir ist kalt, und du hast Angst. Entspann dich. Ich hab nicht vor, dich zu besamen.« Sein Ton machte deutlich, dass es das Letzte war, woran er dachte.
    Gut. Ich hätte ihm die Hand abgehackt, wenn er irgendwas
versucht hätte. Andererseits fühlte es sich gut an, so dicht neben ihm zu sitzen. Er war der einzige Mensch, der verstehen konnte, was ich im Moment fühlte, welche Bilder auf meinen Kopf einstürmten, ohne dass ich es verhindern konnte.
    »Hast du jemals so etwas gesehen?«
    »Noch nie. Das Gleichgewicht hat sich verlagert.«
    »Wir müssen herausfinden, warum, und es Seide sagen. Sonst ist unser Auftrag nicht erfüllt.«
    »Ich weiß, warum«, erwiderte Bleich.
    »Sag’s mir.«
    »Hätten die Freaks nicht genommen, was sie in Nassau fanden, wären sie verhungert.«
    Ich zuckte zusammen. »Du klingst, als ob du Mitleid mit ihnen hättest.«
    »Es tut mir leid um die Menschen, die gestorben sind. Aber ich verstehe, warum es passiert ist.«
    »Und du glaubst, das wird Seide reichen?«
    »Das muss es«, sagte Bleich. »Es ist die Wahrheit.«

DUNKELHEIT
    Am nächsten Tag fehlte mir die Kraft zu rennen. Wir passten unsere Geschwindigkeit entsprechend an. Unbarmherzig nagte die Angst an mir, und die Dunkelheit machte es noch schlimmer. Zuerst spukten die Monster nur in meinem Kopf, doch dann glaubte ich zu hören, wie sie hinter uns herschlichen, schrecklichere Monster als die Freaks, klüger und furchterregender.
    Die Dunkelheit schien Bleich nichts auszumachen. Ruhig und entschlossen ging er voraus, während ich ständig nach den kurzen Momenten lechzte, in denen in einem beschädigten Tunnel etwas Licht durch die Decke brach und die sich überkreuzenden Strahlen für einen Augenblick die Finsternis erhellten.
    Unter meinen Füßen knirschte Schotter, und ich stolperte. Meine Knie gaben nach. Beinahe wäre ich

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