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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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werden euch alle töten, wenn ihr uns dazu zwingt!«
    Die Freaks fauchten zurück, ein bösartiges, feuchtes Zischen, das sich fast anhörte wie Worte, die aus einem Raubtiergebiss herauswollten, es aber nicht schafften. Ich kämpfte weiter, Rücken an Rücken mit Bleich, und merkte, wie meine Muskeln müde wurden. Ein Mensch kommt irgendwann an seine Grenzen. Aber als wir noch zehn weitere niedergestreckt und die Übrigen sich an ihnen sattgefressen hatten, brachen sie den Angriff ab und rannten davon. Anscheinend leisteten wir zu viel Widerstand, als dass sich die Sache für sie gelohnt hätte; was mir andererseits Kopfzerbrechen bereitete, denn es deutete auf ein gewisses Denkvermögen hin. Vielleicht hatten sie sogar Bleichs Warnung verstanden.
    Auch er war beunruhigt. »Scheint, als hätten sie beschlossen, ihre Verluste in Grenzen zu halten.«
    »Das bedeutet, dass sie nicht nur von Instinkt und Hunger getrieben werden, wie wir immer geglaubt haben.« Immer
noch schnaufend wischte ich meine Messer an den Lumpen ab, die der tote Freak neben mir am Leib trug.
    »Meinst du, sie werden uns das glauben?«
    Ich seufzte. »Wenn nicht, wird’s richtig schlimm.«
    »Tja, immerhin hat Seide bereits gewusst, dass sich ihr Verhalten verändert hat. Deshalb hat sie uns geschickt: um herauszufinden, warum.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch. »Glaubst du, dass wir das überhaupt können?«
    »Ich glaube, dass sie uns den Auftrag gegeben hat, um uns zu brechen.«
    Wie ich so dastand, über und über mit Dreck und Blut beschmiert, wurde mir klar, dass sie damit vielleicht sogar Erfolg haben könnte. Ich sammelte meine Ausrüstung zusammen. Wir mussten etwas essen, bevor wir weitermarschierten, aber nicht hier. Bei dem Gestank hätte ich nichts bei mir behalten können.
    Bleich schien es genauso zu gehen, und ich sah – wie er kopfüber aus dem Fenster sprang. Ich wollte ihm schon hinterherbrüllen, ob er den Verstand verloren hatte, doch mein Schrei verstummte, als er noch in der Luft einen Salto schlug und sicher auf den Füßen landete. Lächelnd drehte er sich zu mir um.
    »Angeber«, murmelte ich.
    Mein Körperschwerpunkt ließ nicht zu, dass ich ihm den Trick nachmachte. Ich hätte von weiter oben abspringen müssen, um so zu landen, also trat ich die Glassplitter vom unteren Fensterrand weg und sprang dann mit den Füßen voraus. Bei der Landung hätte er mich nicht stützen müssen , aber es gefiel mir, dass er es tat.

    Die Berührung seiner Hände war überraschend sanft. »Du hast mir das Leben gerettet.«
    »Das ist mein Job.« Unbehagen breitete sich in mir aus wie ein Feuer.
    Selbst hier in den Schatten konnte ich sehen, wie er mich mit seinen schwarzen Augen aufmerksam musterte. »Du bist so gut, wie Seide gesagt hat.«
    Das zu hören tat so gut, dass es schmerzte. Kein verächtliches Jungblut mehr von ihm. Keine Sprüche mehr über meine Fähigkeiten. Vielleicht würden wir doch noch ein Team werden.
    Ich neigte den Kopf, brachte aber nicht mehr heraus als ein unterdrücktes: »Danke.«
    »Ich glaube, die Lage ist jetzt wieder sicher.«
    »Sicherheit« war ein sehr relatives Wort. Um das Gefährt herum lagen ganze Haufen von Leichenteilen aufgetürmt, und die Außenwände waren über und über mit Blut verschmiert. Manche der herumliegenden Gliedmaßen waren bis auf die Knochen abgenagt. Nichts in meinem Training hatte mich auf das hier vorbereitet. Nichts.
    Ich wollte mich hinsetzen, aber Bleich zog mich weg von dem Massaker und sorgte dafür, dass ich zu laufen begann. Ich wusste nicht, ob ich es alleine geschafft hätte. Wieder rannten wir mit nur ganz kurzen Unterbrechungen, aber der Schlaf der letzten Nacht half ein wenig. Zumindest hatte ich nicht mehr das Gefühl, bei dieser Mission draufzugehen, auch wenn mir bei jedem Geräusch das Herz in der Brust stehen blieb. Hier, so weit entfernt von der Enklave, hatte ich gelernt, dass die Freaks mehr als nur ein kleines Ärgernis waren. Sie waren eine ernst zu nehmende Gefahr für unsere Siedlung.

    Wir kamen so gut voran, dass wir die ersten Schilder von Nassau früher sahen als erwartet. Sie wurden begleitet von den üblichen Warnungen wegen der Fallen. VORSICHT. SIE BETRETEN NASSAU-TERRITORIUM. Auf dem weiteren Weg wich ich ein paar Schlingen aus, und ich bemerkte mit schwerem Herzen, dass sie seit Tagen nicht überprüft worden waren. Die Tiere, die in manchen davon hingen, verwesten bereits.
    Bei dem Geruch, der uns entgegenschlug, als wir die letzte

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