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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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mir im Stich gelassen fühlte, aber er machte es mir auch nicht gerade einfach. Er fing an, im Feuer herumzustochern, und die Frage schwebte im Raum, bis die anderen zurückkehrten.

    Das Warten war hart. Wir teilten die Arbeit auf, und die Tage vergingen mit Holzhacken, Jagen, Kochen und Arbeiten an unserem Unterschlupf, um daraus ein gemütliches Heim zu machen. In einer Truhe im Schlafraum fanden wir Stoffe, die wir gut gebrauchen konnten, um daraus anständige Lumpenmatratzen zu machen, die ich vor die Feuerstelle legte. Ich war dankbar für diese kleinen Anklänge von einem Zuhause.
    Tegan wurde von Tag zu Tag stärker. Diese Art von Arbeit lag ihr besser, als den ganzen Tag zu marschieren. Ich hingegen vermisste die Patrouillen, aber sie hätten ohnehin keinen Sinn gehabt, weil es zu kalt war – alles, was uns hier zu Leibe rücken könnte, würde sich im Schnee verirren oder erfrieren.
    Je mehr Tage vergingen, desto weniger Beute brachte die Jagd ein, und an manchen Tagen aßen wir nur aus den Dosen. Dieses »Spam« stellte sich als ein Klumpen schleimigen Fleisches heraus. Zuerst war ich angewidert, aber nachdem wir es in Stücke geschnitten hatten, roch und schmeckte das Zeug recht gut. Ich folgerte, dass es zu einem Brei verarbeitet worden war, um es haltbar zu machen.
    Bleich zog sich immer mehr in sich selbst zurück und wurde beinahe wieder wie in der Enklave, bevor ich ihn kennenlernte. Er hatte aufgehört, uns aus dem Buch vorzulesen, und ich traute mich nicht, ihn zu bitten, bis zum Ende weiterzulesen, wenn er so offensichtlich das Interesse daran verloren hatte. Nur manchmal nahm ich das Buch in die Hand und berührte sanft die Seiten, ergriffen davon, wie alt es schon war.
    Um mir die Zeit zu vertreiben, lieh ich mir Tegans Buchstaben-Buch aus – das, das auch ihre Mutter benutzt hatte –
und begann, Pirscher das Lesen beizubringen. Er war klüger, als ich gedacht hatte. In nur wenigen Tagen lernte er das Alphabet und bald darauf die ersten Wörter, und oft, wenn ich einschlief, hörte ich ihn vor sich hin murmeln: »A wie in Apfel…«
    Oft spürte ich, wie Bleichs Blick auf mir lag, wenn ich mit Pirscher zusammensaß, aber ich schaute nicht auf. Wenn er nicht den Mut hatte, mir zu sagen, was ihn beschäftigte, konnte ich ihm auch nicht helfen. Die anderen beiden fingen an, Holz zu hacken, während ich Pirscher Unterricht gab.
    Schließlich musste ich zugeben: »Ich fürchte, das ist alles, was ich dir beibringen kann.«
    Bleich hätte ihm vermutlich mehr beibringen können, aber es war nicht sehr wahrscheinlich, dass er freiwillig mehr Zeit mit Pirscher verbringen würde. Er schloss das Buch, legte es weg und stand auf. »Vielleicht kann ich den Gefallen erwidern.«
    »Wie?«
    »Komm mit.«
    Er ging voraus in den Schlafraum, der inzwischen vollkommen leer war. Alles, was die vorigen Bewohner zurückgelassen hatten, hatten wir entweder verbrannt oder rausgeworfen, wodurch wir einen einigermaßen großen Raum zur Verfügung hatten, wenn auch kalt im Vergleich zu dem Zimmer mit der Feuerstelle.
    »Was machen wir hier?« Ich hatte keine Angst mehr vor Pirscher. Egal wer oder was er in den Ruinen gewesen war, er hatte geschworen, noch einmal neu anzufangen, und bis jetzt hatte er sein Wort gehalten. Das genügte mir. Wenn jemand
verstehen konnte, dass ein Mensch nicht nach dem beurteilt werden wollte, was er früher einmal getan hatte, dann ich. Ich hatte den Tod des blinden Balgs nicht verhindert, und diese Schuld würde mich auf ewig verfolgen. Das ängstliche Schweigen, in das der Balg sich gehüllt hatte, als die Wachen ihn wegtrugen …
    »Ich dachte, ich zeig dir ein paar Tricks. Du bist gut, aber berechenbar.«
    Mein Gesicht erstrahlte. Das letzte Training lag Ewigkeiten zurück, und durch das Herumsitzen würde ich immer mehr verweichlichen. »Aber ohne Messer. Dafür bin ich nicht schnell genug.«
    »Nein«, erwiderte er, »nur Hände und Füße.«
    Wir übten eine Zeit lang, aber ich bekam es einfach nicht hin. Ich war eingerostet und langsam, und das machte mich wütend. Du warst mal eine Jägerin . Pirscher stellte sich hinter mich und zeigte mir, wie ich meine Arme halten musste, bevor ich zustieß. Meine Hände sausten nach unten. Wenn ich meine Dolche im richtigen Winkel hielt, konnte ich meinem Gegner leicht die Brust aufschlitzen.
    »Was macht ihr da?«, fragte Bleich, der in der Tür stand.
    Ich drehte mich um. »Trainieren. Möchtest du auch eine Runde mitmachen?«
    Er schüttelte

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