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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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nur den Kopf und verschwand.
    Wir trainierten regelmäßig, und ich hielt mich immer besser gegen Pirscher. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass sich unsere Chancen, durchzukommen, verbesserten. Ich hatte mein gesamtes Leben damit verbracht, dafür zu trainieren, andere Menschen zu beschützen. Ich konnte jetzt nicht einfach damit aufhören.

    Nach einer ganz besonders harten Einheit setzte ich mich hin, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und keuchte. Als ich aufblickte, sah ich, wie Pirscher mich anlächelte. Dieser Ausdruck auf seinem Gesicht war ein so krasser Gegensatz zu dem, wie er normalerweise dreinschaute, dass ich den Kopf neigte und ihm einen fragenden Blick zuwarf.
    »Du bist gut«, sagte er. »Wirklich gut, Taube. Ich kämpfe gern mit dir.«
    In der Art, wie er »kämpfe« gesagt hatte, schien noch eine weitere Bedeutung zu liegen. Ich hob eine Augenbraue. »Taube?«
    »Das ist ein Vogel.«
    Ich zog die Knie an die Brust, und Pirscher setzte sich neben mich. »Und warum hast du mich so genannt?«
    Er streckte die Arme nach hinten aus und lehnte sich zurück. Die Luft im Raum war kalt, und Pirschers Atem stieg in kleinen, sich kräuselnden Wolken von seinen Lippen auf. »Ich hab sie immer in der Stadt gesehen, in ihren Nestern in den verfallenen Gebäuden. Mit ihren grauen Flügeln sahen sie so klein und zerbrechlich aus, aber sie konnten einfach wegfliegen, nach oben, wo die anderen Tiere ihnen nichts tun konnten.«
    »Nicht einmal ein Wolf«, sagte ich leise.
    Ich verstand, was er meinte. Ich sah zwar schwach aus, konnte mich aber überraschend gut verteidigen. Eigentlich konnte es mir nichts ausmachen, mit einem Geschöpf verglichen zu werden, das auf so wunderbare Weise mit dem Wind fliegen konnte. Ich beschloss, den Spitznamen anzunehmen.
     
    Als das Tauwetter kam, waren wir alle bereit weiterzuziehen.
Das kleine Haus hatte uns einen Unterschlupf geboten, und dafür waren wir dankbar. Es war aber auch eng gewesen, wenn wir uns zu viert vor der Feuerstelle drängten, um uns aufzuwärmen.
    Die Pause hatte mir auch Gelegenheit gegeben, mich an die Sonne zu gewöhnen, ohne von ihrer Hitze verbrannt zu werden. Jetzt fühlte ich mich bereit, mich ihr auszusetzen; zumindest war ich daran gewöhnt, tags wach zu sein.
    An dem Morgen unseres Aufbruchs schaute ich das Haus noch einmal lange an. Wir hatten es bewohnbar gemacht, gemütlich, aber wenn wir nicht für den Rest unseres Lebens dort bleiben wollten, nur wir vier, mussten wir weiter, solange das Wetter es zuließ. Bleich wusste nicht, wie weit es noch war, und es konnte noch lange dauern, bis wir unser Ziel erreichten.
    Der Boden unter meinen Füßen war nass, alles roch frisch und sauber. Ein kleiner Rest der beißenden Kälte lag noch in der Luft, aber durch die vielen Schichten Kleidung, die ich anhatte, spürte ich es kaum. Wir gingen früh los, erst einmal zurück zum Fluss. Silbrig glänzte er in der Ferne, und daneben ragten die hohen Bäume an seinem Ufer auf. Einen großen Teil des Winters hatte ich damit verbracht, die anderen nach den Namen für die Dinge zu fragen, die ich nicht kannte, und sie waren alle sehr geduldig mit mir gewesen.
    Jetzt konnte ich beinahe alles benennen, auf das unterwegs mein Blick fiel. Es würde ein harter Marsch werden, aber Tegan hatte gesagt, einige der Pflanzen hier draußen seien essbar, und im Fluss hüpften schon wieder Fische und hinterließen dabei verräterische Ringe. Es hätte schlimmer sein können.

    Wir waren seit fünf Tagen unterwegs, und es war der sechste, an dem hinter einer Flussbiegung noch mehr Bäume in Sicht kamen. Bis jetzt waren sie nur einzeln herumgestanden, aber diese hier hatten sich zu einer kleinen Stadt zusammengedrängt. Eng standen sie nebeneinander und warfen dunkle Schatten auf den Boden, der mit heruntergefallenen Ästen und Blättern übersät war. Sie verströmten einen starken, erdigen Geruch; besser als der von Schlamm, roher.
    Verzückt hörte ich dem Gesang der Vögel zu. Bunt hüpften sie herum, rot und blau zwischen den grünen Blättern, und ich verdrehte neugierig den Kopf in der Hoffnung, sie auffliegen zu sehen, nach oben in den Himmel, um mit dem Wind zu segeln. Aber sie taten es nicht, sondern sangen weiter auf ihren Ästen. Ich hörte auch noch andere Geräusche, die sich über das Rauschen des Flusses erhoben, Tierlaute und das Rascheln von Laub. Noch nie hatte ich etwas so Wundervolles gehört.
    »Hier könnte es Hasen geben«, sagte Bleich.
    Dank der

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