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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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es mit Gewalt versuchte. Pirscher war schnell mit seinen Messern, wie ich erneut feststellte. Schon bald kam er zurück, das Fleisch der Tiere in Streifen geschnitten und auf Spieße gesteckt. Eine praktische Sache.
    Mit einem der Spieße in der Hand setzte er sich neben mich, und gemeinsam rösteten wir das Fleisch. Ich beobachtete ihn und drehte meinen Spieß ständig hin und her, damit das Fleisch nicht verbrannte. Schon bald roch es im Raum so gut, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief.
    Bleich kam mit noch mehr Fleisch, Tieren, die ich noch nie gesehen hatte. Sie hatten komische Hinterbeine und lange Ohren. Ich zeigte auf die Tür: »Kein Blut und keine Eingeweide im Haus.« Das war eine unumstößliche Regel.
    Er stand im Türrahmen, der Wind wehte mit einem leisen Stöhnen herein, und Bleich blickte uns einen Moment lang an, aber ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Dann drehte er sich um und ging wieder nach draußen.
    Als Tegan mit dem Waschen fertig war, war auch die nächste Ladung heißes Wasser bereit, und sie übernahm Pirschers Platz, während er sich waschen ging. Nachdem jeder dran gewesen war, war auch das Fleisch fertig; in diesen kleinen Streifen ließ es sich schneller braten. Ich schnappte mir ein Stück davon, verbrannte mir die Finger und blies so lange, bis ich der Meinung war, dass ich es endlich essen konnte. Es hatte einen intensiven Geruch und brannte immer noch ein wenig auf der Zunge, schmeckte aber saftig und köstlich. Während unseres Marsches hatten wir nicht
besonders gut gegessen, größtenteils Fisch, den wir aus dem Fluss zogen.
    Wir aßen alles auf, was die beiden angeschleppt hatten. Vielleicht hätten wir etwas für später aufheben sollen, aber ich glaube, wir waren zu ausgehungert, um auf so etwas achtzugeben. Als alles weg war, stand Tegan auf und durchstöberte die Küche. Neugierig folgte ich ihr.
    »Hier drinnen gibt es noch mehr zu essen!«
    Ich spähte über ihre Schulter und sah Dosen, ganz ähnlich denen, die wir in den Ruinen gefunden hatten. Tegan zog sie hervor, und ich las die Aufschrift: gemischtes Gemüse, Thunfisch, etwas, das sich »Spam« nannte, Erbsen und noch mehr Maiseintopf. Aber diese hier waren klein genug, um sie mitzunehmen, im Gegensatz zu denen in dem Schulgebäude, und wenn wir sie unter uns aufteilten, würden wir das zusätzliche Gewicht kaum spüren.
    An dem Winkel, in dem das Sonnenlicht durch die dreckigen Fenster fiel, sah ich, dass es mittlerweile später Nachmittag sein musste. Mein Kopf schmerzte vor Erschöpfung, aber wir mussten wach bleiben, bis es dunkel wurde. Dann, am nächsten Morgen, würde ich meinem Feind, der Sonne, gegenübertreten.
    Um uns die Zeit zu vertreiben, las Bleich uns aus Tagjunge und Nachtmädchen vor. Wir waren beinahe am Ende der Geschichte angelangt, und ich wollte wissen, wie sie ausgehen würde, ob die beiden der Hexe entwischten oder ob sie sie schnappte und tötete. Ich hätte es niemals zugegeben, aber ich hatte das Gefühl, als gäbe es eine Verbindung zwischen ihrer Geschichte und meiner. Wie Nycteris war ich in der Dunkelheit aufgewachsen und fürchtete das Licht, und ich
glaubte, wenn ihre Geschichte ein gutes Ende nahm, dann meine vielleicht auch.
    Als es schließlich dunkel wurde, war ich so müde, dass ich einschlafen konnte, ohne mir Sorgen über die Zukunft zu machen. Doch als wir aufwachten, hatte die Welt sich verändert.

SCHNEE
    Eine weiße Decke lag über allem. Sie war über Nacht aus dem Nichts aufgetaucht, und nur die kleinen Fußabdrücke von irgendwelchen Tieren gaben mir die Sicherheit, dass wir nicht vollkommen allein auf der Welt waren. Der Himmel war schwer und grau, wie abgedunkelt, so dass der weiße Boden durch das Licht, das er zurückwarf, heller erschien als der Himmel selbst. Ich zog die Tür auf. Dann nahm ich etwas von dem Zeug in die Hände, ließ es aber sofort wieder fallen und rieb mir die Finger wegen der Kälte. Die anderen blickten mich verwundert an. Ich begriff, dass ich die Einzige war, die das weiße Zeug noch nie gesehen hatte.
    »Was ist das?«, fragte ich etwas niedergeschlagen; diesmal bestand nicht der Hauch einer Chance, meine Unwissenheit zu verbergen. Andererseits sollten die anderen inzwischen daran gewöhnt sein.
    »Schnee«, antwortete Tegan. »Das passiert, wenn der Regen gefriert.«
    »Es wäre der sichere Tod, wenn wir jetzt weiter nach Norden gehen«, sagte Pirscher. »Wir haben Glück, dass wir diesen Unterschlupf gefunden haben.

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