Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
trockener Geest und feuchter Marsch an der Nordsee liegen die Äcker oberhalb, das Grünland unterhalb der Siedlung. Diese typische Lage der ländlichen Siedlung ist markant, auch wenn die Höhenunterschiede zwischen Ackerland, Siedlung und Grünland oft nur gering sind. Bei dieser Siedlungslage konnte das unterhalb der Häuser weidende Vieh von oben her beaufsichtigt werden. Abwasser aus den Siedlungen wurde zur Düngung auf das Grünland geleitet.
Vor allem zu größeren ländlichen Siedlungen gehört eine Kirche. Traditionell ist sie von West nach Ost orientiert. Der Kirchturmsollte in der gesamten Umgebung einer Siedlung sichtbar sein: Der Turmhahn oder eine anders geformte Wetterfahne zeigte die Windrichtung an. Für die auf dem Land arbeitenden Bauern war dies ein wichtiges Hilfsmittel, um die Wetterentwicklung der nächsten Stunden vorhersehen zu können. Mit den Kirchenglocken und später auch den Turmuhren konnte die Arbeit einer gesamten Dorfgemeinschaft synchronisiert werden: Man betete nicht nur zur gleichen Zeit auf allen Feldern, sondern mit dem Morgen-, Mittags- und Abendläuten wurde der Tag strukturiert.
In Karstgebieten und am Rand ehemaliger Meeresbuchten und -arme in Skandinavien ist die Ökotopengrenzlage der Siedlung genau invers: Dort befinden sich die Äcker auf den weniger steinigen und feuchteren Flächen unterhalb der Siedlung, die Weideflächen auf trockenem, oft sehr flachgründigem und steinigem Boden oberhalb der Siedlung auf Kalkhügeln oder ehemaligen Inseln (Schären). Einzelne Siedlungen in Kalkgebieten füllen Senken völlig aus, weil sich nur dort genügend Trinkwasser sammeln ließ – in einem künstlichen See, der auf der Schwäbischen Alb «Hüle» genannt wird. Auf diese Lage verweisen zahlreiche Ortsnamen (Hülben, Berghülen).
Völlig anders gelegen sind ländliche Siedlungen im Marschland, wo es nur geringe Höhenunterschiede gibt. Dort gründete man Siedlungen zunächst auf Strand- oder Uferwällen, die ihre Umgebung oft um nur wenige Dezimeter überragen und daher seltener vom Hochwasser überflutet werden. Zusätzlich legte man künstliche Hügel für die Siedlungen an, die Warft, Warf, Wurt oder Terp genannt werden. Dabei orientierte man sich oft ebenfalls an Strand- und Uferwällen; auf natürlicherweise bestehenden Höhen im Gelände mussten die Hügel nicht so hoch aufgeschüttet werden wie anderswo. Auf ihnen sind Bewohner und Vieh sicher vor Überflutungen. Wurden Marschen eingedeicht, blieben die traditionellen Siedlungslagen oft bestehen. Auch heute noch bieten die künstlichen Hügel einen zusätzlichen Schutz für die Bewohner, wenn Deiche brechen sollten. Auf einer Wurt ist außerdem der Baugrund trockener, und an der Kirche, dem Mittelpunkt des Ortes, nutzt man trockene Flächen für den Friedhof;nur dort, nicht aber im dauernd feuchten Boden werden Leichen im Lauf der Zeit zersetzt.
Siedlungen auf Uferwällen und Wurten sind vor allem an flachen Meeresküsten verbreitet, beispielsweise an der Nordsee. Entsprechende Siedlungen findet man auch in Flussniederungen, etwa an Elbe, Weser und Rhein sowie an deren Nebenflüssen. Dort errichtete man vielerorts Flusswurten.
Fischersiedlung
Menschen, die Fischfang betrieben, lebten am Ufer von Gewässern. Ihre Siedlungen bestanden nur zu bestimmten Zeiten, und zwar zuerst in den Jahrtausenden nach der letzten Eiszeit, in denen sich in Mitteleuropa die Wälder geschlossen hatten. In späteren Phasen der Urgeschichte, während der späten Jungstein- oder Kupferzeit und der Bronzezeit, gab es erneut Seeufersiedlungen. Ihre Bewohner lebten vom Kulturpflanzenanbau und von der Tierhaltung, betrieben aber auch Fischerei. Fischersiedlungen entstanden erneut im frühen Mittelalter, und zwar oft an Fischwehren, wo Wasser gestaut und über ein Wehr geleitet wurde, so dass sich unterhalb der Gefällstrecke ein Strudel mit sauerstoffreichem Wasser bildete. Dort fanden sich besonders viele Fische ein, und man konnte sie leicht erbeuten. Derartige Fischwehre konnten zu Mühlwehren weiterentwickelt werden; an ihnen entstanden Mühlen, in einzelnen Fällen sogar Städte. Fischersiedlungen im slawisch besiedelten Gebiet Ostmitteleuropas wurden auch als Kietze bezeichnet.
Weitere Fischersiedlungen gibt es an den Meeresküsten; sie werden nur saisonal besiedelt. Ihre Bewohner leben das übrige Jahr in ländlichen Siedlungen. Fischersiedlungen an der Küste entstanden vor allem an den Übergängen von Steilküsten zu Nehrungen; dort
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