Die Entdeckung der Langsamkeit
hundert
anderen einfluÃreichen oder sachverständigen Personen in der ganzen Welt. Sie
fuhr nach Lerwick auf den Shetlands, um die Walfänger zu freiwilligen
Nachforschungen im hohen Norden anzustacheln. Sie hielt vor Seeleuten ebenso
erfolgreiche Reden wie vor den Damen der Gartenbaugesellschaft, kein Mensch
konnte ihr widerstehen. Die Zeitungen schrieben Hymnen auf die heldenhafte Forschersfrau.
Von eigenem Geld kaufte sie mehrere Schiffe und wählte aus den Scharen von
Freiwilligen persönlich die Mannschaften aus. Kurz vor seinem Tod sagte John
Barrow: »Jane ist meine Nachfolgerin!«
Was nach den ungeschriebenen oder auch geschriebenen Gesetzen einer
Frau nicht erlaubt war, nicht einmal der Königin, Jane durfte es: Energie
zeigen und sich gegen Männer durchsetzen. Gerade die stimmten zu, es ging
schlieÃlich um einen Ehemann und weitere hundertdreiÃig Männer im Eis der
Arktis.
Ergebene Freunde fand sie, heroische Diener. Der alte Dr. Richardson
fuhr wieder in den hohen Norden, um seinen Freund zu suchen. John Hepburn kam
aus Tasmanien angereist und ging mit. Während der ganzen Zeit blieb Sophia bei
Lady Franklin. Oft schien sie an der Suche nach Franklin noch
leidenschaftlicher beteiligt zu sein als die Lady selbst, aber niemand hatte
einen Grund, sich darüber zu wundern. Sie war Sekretärin, Botin, Freundin, Strohmann,
Vorrednerin, Trösterin. Sie heiratete nicht, obwohl sie unter Freiwilligen so
hätte wählen können wie die Lady bei der Bemannung ihrer Schiffe. Bis 1852 verhinderten
sie, daà Franklin mit seiner Mannschaft für tot erklärt wurde, und als dies
doch geschah, wuÃten sie das Publikum in eine derartige Entrüstung zu
versetzen, daà die Lords der Admiralität nur noch mit verhangenen
Kutschfenstern das Regierungsviertel verlieÃen.
Freilich, das Vermögen schmolz schnell dahin, zum MiÃbehagen von
Johns Tochter, die keinen reichen Mann geheiratet hatte und um ihr Erbe
fürchtete. Aber gegen die gebieterische Position einer Heldengattin kam niemand
auf, nicht einmal Ella, die viel von Ihres Vaters Beharrlichkeit besaÃ.
Auch für Freundschaft und Treue unter Frauen wurden »Jane und Sophy«
zum Symbol. Daà sie sich auch Zärtlichkeit schenkten, übersah glücklicherweise
der Tugendeifer der Gerechten. Wer es dennoch ahnte, war nicht ganz so
tugendhaft und fand es schlicht belanglos.
Das Wichtigste aber blieb aus: noch immer war das Schicksal
Franklins und seiner Seeleute im dunkeln. Da nach wie vor für seine Aufklärung
eine hohe Belohnung ausgesetzt war, gab es auch nach 1852 freiwillige Suchfahrten
von Walfängern und reichen Freunden, vor allem aber gab es Jane und Sophia, die
entschlossen waren, ihr Geld bis zum letzten Penny dem einen Ziel zu opfern.
1857 kaufte Jane Franklin das unwiderruflich letzte
Schiff, einen kleinen Schraubendampfer namens Fox, und vertraute es einem
jungen Kapitän an, der schon als Steuermann bei der Franklinsuche dabeigewesen
war: Leopold McClintock, einem Mann, den sie liebte wie einen Sohn und der sie
ehrte wie eine Mutter. Er gehörte zu denen, die sich nicht nur für die Lösung
des Rätsels und für die Geldprämie interessierten, sondern für John Franklin
selbst. Viel hatte er von Richardson und Hepburn, Lady Franklin und Sophia über
ihn erfahren, hatte seine beiden Bücher gelesen und sogar das »Strafenbuch« der Trent sehen dürfen, in das John seine Ideen
eingetragen hatte. »Ich will ihn einfach kennenlernen!« sagte McClintock. »Und
dazu werde ich ihn finden. Es kann gut sein, daà er lebt, vielleicht unter den
Eskimos. Er hat nie schnell gelebt, also hört er auch nicht so schnell damit
auf.«
Das war McClintock, ein kleingewachsener, drahtiger Mann mit
schwarzem Backenbart. Mit seiner schottischen Mannschaft und einem dänischen
Dolmetscher verlieà er am 30. Juni 1857 den Hafen von Aberdeen.
Am 6. Mai 1859 fanden McClintocks Leute auf King Williams
Land unter einer Steinpyramide einen von Crozier und Fitzjames unterzeichneten
Zettel, der über das Schicksal der Expedition und Franklins Tod Auskunft gab.
Er stammte vom Frühjahr 1848. Die Schiffe waren nicht mehr freigekommen, die
Mannschaft hatte sie aufgegeben. Die Nachricht schloà mit den Worten: »Von hier
aus gehen wir morgen weiter in Richtung auf die Mündung des GroÃen
Fischflusses.«
In dieser Richtung wurde die Suche
Weitere Kostenlose Bücher