Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)
Weltbild der modernen Physik liegt vermutlich darin, dass unser Gehirn in einer Welt entstand, die im Vergleich zum Rest des Universums geradezu simpel ist. Unsere Vorstellungen, Gefühle und Intuitionen entwickelten sich zusammen mit dem Leben an sich in einer Umgebung, die innerhalb der modernen Physik nur noch einen Spezialfall darstellt. Einen Spezialfall, bei dem alle Dinge gerade so mittelmäßig groß, mittelmäßig schwer und mittelmäßig energiereich (also schnell) sind, dass die wahre Natur des Universums verborgen bleibt. So wie ein Fisch im Aquarium vermutlich nie verstehen wird, wo er sich befindet oder was außerhalb seiner Welt ist, so hat gewiss auch der Mensch seine Grenzen in Bezug auf sein Verständnis vom Universum.
Das fängt bereits bei der Frage an, wieso denn überhaupt etwas da sei und nicht eher nichts? Dass es gar nichts gäbe (also keinen Kosmos), wäre ja einfacher, als dass es etwas gäbe und dazu noch so etwas Kompliziertes wie diese Welt! Auch Fragen danach, wie das Universum entstanden sei, ob es schon ewig existiere oder irgendwann einmal angefangen habe, scheinen sich dem Menschen auf eine grundsätzliche Art und Weise zu verschließen. Doch das ist nicht das einzige »Aquarium«, in dem wir leben.
Alle Dinge, die wir im Universum beobachten und zumindest ansatzweise verstehen, stellen nur fünf Prozent des Universums dar. Von den restlichen 95 Prozent wissen wir lediglich, dass es sie geben muss. Man spricht in diesem Zusammenhang von Dunkler Energie (72 Prozent) und Dunkler Materie (23 Prozent).
Selbst innerhalb dieser fünf Prozent des Universums, die dem Menschen im wahrsten Sinne des Wortes einleuchten, lebt der Mensch in einem weiteren »Aquarium« zwischen zwei verrückten Welten. Da ist der Kosmos der allergrößten, allerschnellsten und allerschwersten Dinge auf der einen Seite, in dem Uhren gern einmal stehen bleiben oder Räume wabern, sich krümmen und dehnen. Und auf der anderen Seite befindet sich die Ebene der allerkleinsten Dinge, in der ein einzelnes Objekt gleichzeitig durch zwei verschiedene Löcher fliegen kann, um dann noch mit sich selbst zusammenzustoßen. Wollte man diese Ode an die Beschränktheit des Menschen nun noch auf die Spitze treiben, so könnte man ausführen, dass selbst unsere Alltagswelt zu kompliziert geworden ist, als dass sie ein einzelner Mensch noch ganz zu verstehen vermag, oder gar schlimmer: Noch nicht einmal unser Innenleben ist etwas, dessen wir uns zum größten Teil bewusst wären.
So schrecklich diese Bestandsaufnahme auch sein mag: Glücklicherweise scheinen die Gedanken des Menschen nicht so leicht in »Aquarien« einzusperren zu sein, sodass wir uns in diesem Kapitel dem absurden Theater der Teilchenphysik widmen können und der besonderen Rolle des Higgs-Teilchens dabei.
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist ein Sammelsurium von Theorien über den Aufbau der Materie und über die Kräfte, die zwischen den Objekten im Universum wirken. Es zeigt uns, wie unsere Welt im Innersten funktioniert und warum das Higgs-Teilchen ein notwendiges Puzzlestück zum Verständnis der Welt darstellt.
Hierzu soll in einem ersten Schritt die Elementarteilchenphysik in den Gesamtkontext der modernen Physik eingeordnet werden. Die klassische Mechanik nach Newton beschreibt unsere Alltagswelt: Äpfel fallen auf Köpfe, mit dem Kopf kommt man nicht durch die Wand, und wenn man mit dem Rad doppelt so schnell radelt, ist man in der Hälfte der Zeit am Ziel. In Wirklichkeit jedoch ist die klassische Mechanik ein Spezialfall der Physik für mittelgroße und mittelmäßig energiereiche Objekte.
Betrachtet man kleinere Teilchen, so stellt man fest, dass man unter Umständen eben doch mit dem Kopf durch die Wand kommt – jedoch nicht, weil die Wand löchrig wäre. Auf dieser Ebene muss eine grundlegendere Physik zum Einsatz kommen: die Quantenmechanik, die Wissenschaft von den allerkleinsten Portionen aller Erscheinungen im Universum. Ein Materie-Quant ist zum Beispiel ein Elektron, ein Licht-Quant wird Photon genannt. Lässt man nun die Objekte der Betrachtung immer energiereicher, also schneller und schwerer werden, so kann es plötzlich passieren, dass man mit dem Fahrrad in einem Viertel der Zeit ans Ziel gelangt, wenn man nur doppelt so schnell fährt. Für solche Objekte ist die Relativitätstheorie die adäquate Beschreibung.
Die Elementarteilchenphysik beschreibt also sowohl kleine
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