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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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verlassen konnte. Sie würde anders sein als alles Vergangene, darin bestand ja ihr Sinn. Albert war unbeobachtet gewesen, allein, und er hatte Glück: Den Kuss hatte er nicht verpasst, wie es anderen bei der ersten Liebe passiert. Er fühlte sich geehrt. Moment und Ewigkeit hatten sich getroffen und ihre Türen geöffnet. Albert durfte eintreten. Er würde dieser Ehrung gerecht werden wollen. Er fühlte sich klein und groß und war, wie sich das für einen Kuss gehört, gleichzeitig erregt und beruhigt. Vom Küssen hatte er sicher nicht genug.
    Wie noch immer aus riesigem Abstand, den jedes einzelne gesprochene Wort erst durchqueren musste wie eine Wüste, hörte er den Übersetzer Jakob fragen, was er zur Krise der Elektrotechnik sage. Jakob erklärte dem größeren der beiden Engländer, dass sie herbeigeredet sei, und der Übersetzer übersetzte, während Neumayr mit Uppenborn und Bauer abseits vertraulich sprach.
    Als sie mit Reden, Nicken und Notieren fertig waren, der kleinere der beiden Engländer auch Höchtl auf dem Bock freundlich die Hand gegeben hatte, war Uppenborn zu seinem Wagen gegangen, an ihm entlang nach hinten gelaufen, wo er an einem unter dem Sitz befindlichen Teil hantierte. Er zog kräftig an etwas, und das klappernde Geräusch war wieder da. Es beschleunigte sich schnell. Über dem Wagen bildete sich eine weißblaue Wolke.
    Jakob verzog das Gesicht. Er hoffte inständig, dass Uppenborn auf der Korsofahrt das Ligroin ausgehen würde. Er stieg ein, betätigte zwei oder noch mehr Hebel, das konnte Albert nicht ganz genau sehen, und der Motorwagen machte einen Satz nach vorne, scherte dann ruckend als erster aus, um voran Richtung Festplatz zu fahren.
    Wie die anderen Einsteins, die Engländer, die Holländer und der Übersetzer beeilte sich auch Albert, auf seinen Platz zu kommen. Höchtl ließ die Peitsche über die Flanke des einen Pferdes streifen, der andere Kutscher knallte mit seiner und ruckend rollten die Wagen unter Hufgeklapper, Quietschen und Felgenrattern auf den Katzenköpfen an, die hier verlegt waren. Durch die Fenster der Kutschen waren alle Insassen von den Bürgersteigen aus zu sehen, als sie Uppenborn folgten. Nur Albert fiel nicht ins Auge.
    Er beschäftigte sich mit einem neuen Wort, das er aus den Reden der Engländer über eine offenbar neue Messung der Lichtgeschwindigkeit aufgeschnappt hatte, mit der angeblich etwas nicht in Ordnung war: Illecktrodeinammicks. Danach hatte er den Übersetzer nicht verstanden, weil der so leise sprach, aber der Rhythmus des englischen Wortes gefiel ihm. Auch wie feucht die Reporter das I ausgesprochen hatten und wie nass das r und wie sie die letzte Silbe beschleunigten.
    In seinem Kopf zog das Wort bereits Kreise und Achten wie ein Drache im Wind, den steigen zu lassen sein Vater keine Zeit mehr gehabt hatte, seit sie aus Ulm weggegangen waren, obwohl er es immer versprach. Richtungsumkehr ging diesmal besonders leicht: Skimma-niedort-kelli. Bis zum Festplatz würde es ihn gut unterhalten, und was keiner wusste oder hätte beurteilen können: Im selben Moment war der Setzer der Münchner Neuesten Nachrichten mit einer Meldung beschäftigt, in der das Wort auf Deutsch vorkam.
    Ein Professor H. Hertz aus Karlsruhe hatte in einer sinnreich erdachten Reihe von Versuchen nachgewiesen, dass elektrodynamische Schwingungen, die in einem Kabel stattfanden, sich von dort in den Raum fortpflanzten und sich dabei nicht anders verhielten als ganz gewöhnliches Licht. Strom und Licht, die Unsichtbaren von gestern, waren nicht weniger als eins und auch nicht mehr. Vielleicht nur aus Versehen, vielleicht, weil er sich sehr darauf konzentriert hatte, »elektrodynamisch« ohne Fehler ins Blatt des nächsten Morgens zu bekommen, vielleicht aber auch aus Begeisterung über die Hochzeit der beiden Naturerscheinungen vergaß der Setzer, der auf Anweisung des Redakteurs Neumayr den Vornamen des Professors, Heinrich, abkürzte, beim Nachnamen einen Buchstaben: das t .
    8 Das Fest
    Zum Festplatz am Feuerhaus waren die drei Wagen gute zwölf Minuten unterwegs, die im Weltraum 216 Millionen Kilometern entsprachen. Nach Gottes Maßstab mussten in der Zeit ganz schön viele Einzelheiten passieren, von denen einem auf der Erde fast alle entgingen. Erstaunlich fand Albert, dass man mit einer einfachen Kutsche so schnell daran entlangfahren konnte.
    Als sie um die Ecke kam, trafen die Bilder vom Platz, dem Feuerhaus zwischen den beiden Schulen, dem davor für die

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