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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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schuf voll Opferfreudigkeit:
    Zu dieser Stunde noch sollt ihr’s erfahren,
    Daß voll und ganz erfaßt sie ihre Zeit.
    Was jetzund als die neueste Erfindung
    Exakte Wissenheit der Menschheit beut,
    Was gilt als einer neuen Zeit Verkündung,
    Noch heut’ soll’s werden hier zur Wirklichkeit.
    Ja, eine Fülle Lichts soll sich ergießen
    Voll Zauber über diese Stadt jetzt aus.
    O wollet freud’gen Herzens es begrüßen,
    Und heller Jubel schall’ von Haus zu Haus!
    Du aber, Urquell allen Lichts da droben,
    Der du jetzt niederblickst aus Sternenschein,
    Laß’ diese Feierstunde, lichtumwoben,
    Zu Heil und Segen stets Suapinga sein!
    Kaum war das letzte Wort der Kindergärtnerin über dem Platz verklungen, als Albert und seine Mutter wie alle anderen von einem Raketenschauer beeindruckt wurden, der vor dem Sternendach und dem Archiv alles jemals Geschehenen viel der beiden
ungleichen Partner Lärm und Licht von sich gab, bis ein Kanonenschlag das Ende des Feuerwerks markierte.
    In dem Moment legte Hermann mit geschlossenen Augen und kaltem Angstschweiß an Schläfen, Stirn und in der Rinne, die seine Wirbelsäule auf dem Rücken bildete, den Schalter um. Der Platz und die Straßen erstrahlten laut Gemeindezeitung, die vom Stadtmagistrat zur Annahme aller amtlichen Bekanntmachungen bestimmt war und dies im Untertitel seit je voll Stolz angab, in dem Moment »im hellsten Bogen- und Glühlichte«.
    Hermann hörte das Gelingen am gemeinsamen Aufatmen aller Schwabinger, das durch die Tür, Fenster und wahrscheinlich auch durch die Wände zu ihm drang: »Aaaaahhh!!!«
    Er bemühte sich, Freude zu empfinden.
    Höchtl lächelte vornehm. Draußen hatte Neumayr seinen Notizblock in die Manteltasche gleiten lassen. Er zupfte an seinem Schal und bekam Albert in den Blick, der auch am Feuerwerk vorbei nach oben gesehen und fünf Punkte beobachtet hatte, die, zumindest wenn man wollte, ein großes W bildeten wie Warum , und die er für die Kassiopeia hielt. Zum Beweis suchte er gerade den Nordpolarstern, als die künstlichen Lampen angingen und die Kassiopeia zusammen mit dem ganzen Nachthimmel auslöschten. Er sollte also, dachte Albert, nicht mehr leuchten.
    Auch Höchtl war ganz in seiner Welt und verschwendete keinen Gedanken daran, nach draußen zu gehen, um das Licht zu sehen. Ob er fest an Einsteins gebunden sei, hatte Uppenborn ihn nämlich gefragt, und dass er doch nicht Gott sein konnte, musste Albert in den kommenden Wochen und Monaten feststellen, in denen der wortkarge, aber immer aufgeschlossene Mann seine Art verwandelte, immer stiller und sogar abweisend wurde. Schließlich kündigte er. Albert reagierte nicht darauf. Er war, dachte er richtig, zu jung. Außerdem hatte er ja auch viel zu viel verlangt, und manchmal überlegte er, ob er schuld war.
    Seine Mutter zog jetzt an seiner Hand, denn es war ausgemacht, dass sie den ganzen Weg nach Hause laufen würden, während Höchtl die Maschinen beobachtete und die Lager vorsorglich alle paar Minuten mit Öl übergoss. Rücksichtslos wurde er der Länge nach dabei mit Öl bespritzt. Auf das Fest würde er auch nach Abstellen der Maschinen nicht mehr gehen können.
    Jakob hatte bereits gesprochen, die Anlage übergeben, sich bedankt. Ansprenger hatte sie für eröffnet erklärt und eine Ovation auf seine königliche Hoheit den Prinzregenten ausgebracht, als Mutter und Sohn den Rand des Platzes erreichten und das Licht einmal flackerte, dann ein zweites Mal und kurz beinahe ausging. Das Gemurmel und Gerede war zum Verstummen gebracht und setzte auch dann nicht sofort, sondern erst sehr verzögert wieder ein, als das Licht erneut konstant brannte, als sei es anders nie gewesen. Pauline und Albert fuhr ein leichter Wind in die Gesichter. Er war kalt.
    In ihrem Rücken bestieg man für die Korsofahrt die siebenundfünfzig Wägen in musterhafter Ordnung, angeführt von Magistratsrath Max Kröninger, mit der Krone der Suapinga, und dem Erfinder der elektrischen Droschkenkontrolluhr Prandstätter, der seinen Wagen mittels eines unterflurigen Accumulators, einer davon gespeisten kleinen Glühbirne auf der Deichsel und einer weiteren im Inneren auf das Prächtigste beleuchtete.
    Die größte Sensation war Uppenborns Dreirad, auf dem er sichtbar stolz thronte.
    Sie alle durchfuhren die Schulstraße, die Maffei-, die Prinzen-, die Seestraße und anschließend die Schlossstraße. Dann die Sieges-, die Nikolai- und die Schwabinger Landstraße, die Ungerer-, die Band- und noch mal

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