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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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getötet«, sagte Neumayr aber unbeeindruckt und versetzte Albert damit einen dumpfen Schlag auf die Brust und gleichzeitig einen Stich ins Herz. Die Ewigkeit des Himmels war auf diesen einen Moment an der Kutsche zusammengeschnurrt. Lagen Seele und Herz so nah beieinander?
    Ja, denn Jakob führte in überlegen tuendem Ton aus, dass Edison »einen elektrischen Stuhl für die Exekution von Mördern bauen« werde, was Albert wie ein zweiter Schlag traf, wie ein Schlag in sein Kindergesicht, stark genug, einen Riesenkerl umzuwerfen. Was er nicht war.
    Die Männer sahen sich gegenseitig an, stark verlangsamt.
    »Edison wird«, so der geliebte Onkel, der sich Alberts Achtung doch immer hatte sicher sein können: »den Galgen ersetzen.«
    »Es wird ein sauberes Töten«, hörte Albert seinen Onkel wie durch Rauschen von Wasser in seinen Ohren sagen, während er selbst versuchte, nach Luft zu schnappen und nicht nach Luft zu schnappen: Da habe man die Anwendung des Wechselstroms!
    Dass dann für kurze Zeit, und egal für wie kurze Zeit, niemand etwas sagte, war schön. Die Empfindung für die Kälte war verschwunden. Aus der Kutsche steigen und weggehen und immer weiter gehen, in die Berge zum Beispiel, irgendwohin, wo niemand mehr war, wollte Albert. Hunger und Einsamkeit hätte er gerne ertragen. Aber jetzt durfte er sich erst recht nichts anmerken lassen. Als er ausstieg, was für Pauline ohne Grund geschah, setzte er den Fuß auf den Gehweg, ohne den Abstand von der Stufe der Kutsche einschätzen zu können. Es fühlte sich an, als ob er unter Wasser auf einen Stein steigen wollte, und er sah die Erwachsenen aus großer Ferne, als kleine hilflose Punkte, die mit den Armen ruderten, ohne zu wissen, wo sie waren oder wohin sie wollten. In der Mitte er selbst.
    Neumayr widersprach. Tesla behaupte das Gegenteil: »Er ist in New York durch ein Feld mit künstlichen Blitzen gelaufen.«
    Jakob wusste das offenbar: »Das kann ich Ihnen mit Gleichstrom sofort wiederholen«, meinte er, und Neumayr sah ihn interessiert an. »Das hat allein mit der Stromstärke zu tun. Bei geringer Stromstärke ist jede Elektrizität ungefährlich. Aber – sehen Sie, bei Leistungen, wie sie die Maschinen brauchen, die uns von der Plackerei befreien, Maschinen, die tausendmal mehr leisten als ein Mensch, hundertmal mehr als ein Pferd, empfehle ich das Herrn Tesla nicht. Da bekommen Sie nie eine so geringe Stromstärke hin, dass Sie noch anfassen wollen. Sie müssten mit einer unglaublichen Hochspannung arbeiten, aber dann schlagen Ihnen die Funken durch jede Isolation.«
    Neumayr war abgehängt, und das schien Jakobs einziges Ziel.
    »Wir wollen aber doch Kohle aus Schächten holen«, dröhnte er schon fast, »in die niemand mehr steigen muss. Wir wollen unterirdische, sichere und saubere Bahnen betreiben, die uns von einem Ende Münchens ans andere bringen und die man nicht füttern, striegeln und von einem eingebildeten Tierarzt versorgen lassen muss, der überzogene Vorstellungen vom Wert seiner Arbeit hat. Kein Theater brennt mehr ab! Körperlich anstrengen, ganz ehrlich, das werden wir uns nur noch zu unserem Vergnügen.«
    Neumayr schrieb erstaunlich schnell, und Jakob war fast fertig: »Wir wollen nicht nur Theater und Wirtshäuser, Wohnräume und Festplätze gefahrlos beleuchten. Wir«, und dieser Satz sollte am nächsten Morgen in der Zeitung auftauchen, »wollen die Städte der Nacht entreißen.«
    »Er behauptet aber gerade das.«
    »Was?«
    »Dass Wechselstrom das kann, weil die Verluste beim Transport über weite Distanzen ...«
    »Tesla?«
    Neumayr nickte nicht mal: »Geht es nicht darum, die besten Energiequellen nutzen zu können, wie zum Beispiel die Wasserkraft?«
    »Seit einundachtzig wird davon geredet, Oskar von Miller hat damals schon ...«
    »Jetzt ist es eben so weit«, sagte Neumayr. »Mit dem Wechselstrom.«
    »Herr Tesla behauptet auch, er könne den Erdball spalten, haben Sie davon gehört?«
    Entweder hatte Neumayr nicht davon gehört, oder er wollte es, dachte Albert, nicht verraten. Jedenfalls regte sich kein Gesichtszug, oder nicht so, dass Albert es hätte sehen können.
    »Er meint«, hörte er Jakob sagen, »der Erdball würde vibrieren, in sich schwingen und eiern. Ganz wie man sich einen im Wind treibenden, kleinen und leichten Ballon vorstellen muss. Und er meint, er kann die Vibration mit ein paar Explosionen so aufschaukeln, dass er platzt.«
    Neumayr hatte davon offenbar wirklich nicht gehört: »Unser

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