Die Entdeckung des Lichts
bevorzugten kalten Witterung zu schweigen. Vier lange Jahre sah kaum jemand eine nicht in Matsch verwandelte Knolle.
Bald lagen die Toten, so las und hörte man in London, in den Häusern, auf den Feldern, in den Straßen und Straßengräben und wo immer sich einer mit seiner letzten Kraft hingelegt hatte, bevor das Licht hinter seinen Augäpfeln kein Bild mehr von der Welt zustande brachte. Anderthalb Millionen waren es am Ende.
Zwei Millionen wanderten nach Amerika aus, wo George Washington, der den Pocken getrotzt und in ungezählten Schlachten auf seinem Pferd gesessen hatte, um wie von geisterhafter Hand beschützt aus indianischen, französischen und englischen Gewehren keine einzige Kugel zu fangen. Er hatte die habgierigen Engländer besiegt und sich anschließend geweigert, König von Amerika zu werden. In Amerika war alles größer, besser und schlimmer als in Europa, in dem der Pilz zwischen Sizilien und Schottland überall Nahrung fand und teure Güter noch lange nicht sinnvoll verteilt wurden: Ob Kartoffeln, Daunen, Messing oder Pelze.
Unter den zurückgebliebenen Iren gingen viele in die englischen Industriestädte, wo sie sich mit jenen, die nichts hatten, zusammentaten gegen jene, die etwas hatten und glaubten, das sei rein ihr Verdienst. Auch die taten sich zusammen. Friedrich Engels hatte es ja gewusst. Er errang viel Achtung bei den einen, die ihm ab jetzt glaubten, egal was, und folgen wollten, egal wohin. Das war im Moment das Einfachste. Bei den anderen errang er aus demselben Grund viel Missgunst, und bei beidem sollte es bleiben, auch wenn es auf Dauer das Beschwerlichere war.
Während Faraday sich im Schwindel befand, während sich sein Hirn auf widerliche Weise anfühlte, als drehe eine Hand es sehr langsam im Uhrzeigersinn, von oben gesehen, konnten vierzehntausend Opfer der Choleraepidemie 1848 und 1849 nicht sagen, auf welchem Wege sie sich angesteckt hatten.
Die Revolution hielt Faraday für eine schwarze Leidenschaft, für eine hochtrabende Phrase, für die Regierung eines wertlosen Motivs. Mit Sarah fuhr er nach Brighton und kam immer nach ein paar Tagen oder Wochen zurück. Er schrieb und experimentierte, er gab Vorlesungen und ließ wissen, sein Gedächtnis könne nichts mehr sicher aufheben. Sarah beobachtete, wie er sich in einer immer kleineren Welt einrichtete, als würde er immer jünger. Er träumte von Materie und ihren Kräften und fand es nicht weise, darüber zu reden, denn vielleicht war alles falsch.
Dann flüchtete Charles Wheatstone eines freitags aus der Institution , fünf Minuten bevor er die Vorlesung halten sollte.
Der selbsternannte Mathematiker, Zahnarzt und Dichter Hank Adrift Twigged, ein in seinen Einfällen genauso blitzschneller wie ungebildeter Diskutant, hatte sich als Newton verkleidet und mit einem schön anzusehenden Modell der Sonne in der einen Hand, einem ebenso schönen des Mondes in der anderen in die erste Reihe gesetzt. Die Sonne hielt er mit ausgestrecktem Arm von sich weg und fixierte sie, während er den Mond um seinen Kopf kreisen ließ, so gut es mit einer Hand ging.
Twigged, als ob ihn nicht ohnehin alle anstarrten, hatte den als scheu bekannten Wheatstone beim Betreten des Saales sofort angebrüllt: »Guten Abend, Herr Doktor!« Und auf den erschrockenen Blick des Angesprochenen: »Haben Sie Ihre Ätherwellen dabei?« Die meisten lachten, ohne zu wissen worüber.
Eine halbe Stunde wartete Faraday, bis er die Hoffnung auf eine Rückkehr des Freundes aufgab. Dann trat er mit ineinandergefalteten Händen und fröhlich vor die Wartenden, entschuldigte sich, begrüßte Twigged, der die Sonne dafür auf den Boden legen musste, weil seine Nachbarn sich weigerten, sie anzufassen. Sie war aus Papier und bekam eine Delle, was Twigged nicht bemerkte oder bemerken wollte, er war sichtlich aufgeregt, Faraday zu berühren. Lange schüttelte Twigged Faradays zitternde Hand.
Dann begrüßte Faraday die Freunde John Tyndall, George Bidell Airy, Angela Georgina Burdett Coutts und Mary Fox ebenfalls mit Handschlag. Auf dem Rückweg entdeckte er auf der anderen Seite des Raums Isambard Kingdom Brunel, den Sohn vom Konstrukteur des Themsetunnels.
Brunel junior baute die schönsten Eisenbahnbrücken der Welt, um die Überwindung von Raum und Zeit restlos in Eleganz zu verwandeln. Kürzlich war er allerdings in den Schiffsbau gewechselt, vielleicht war ihm langweilig geworden.
Faraday ging auf ihn zu und begrüßte ihn herzlich. Anschließend begab
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