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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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er sich hinter den großen Tisch mit der Ausbuchtung und improvisierte eine gute Stunde lang. In einfachen Worten erklärte er, was er über den Stand der Wissenschaft dachte: Man brauche für die Wellentheorie keinen Äther. Twigged zuckte, sagte aber nichts, denn selbst er spürte, was alle anderen auch spürten: dass Faraday wusste, wovon er redete.
    »Kraftlinien«, sagte er ohne jede Überheblichkeit und falsche Zurückhaltung, »genügen.«
    Schließlich waren die Eisenspäne im Magnetfeld selbst zu kleinen Magneten geworden, die aufeinander wirkten, wenn sie sich in Linien legten. Sie zeigten so das Feld im Raum an. Und wenn eine elektrische Ladung sich auf- und abbewegte, so meinte er, ohne zu stutzen, zu schnell oder zu leise zu reden oder ein Äh zu benötigen, dann würde sich die dazugehörige Kraftlinie ebenfalls bewegen, wie ein Springseil, in das man mit der Hand eine Welle schlug, die dann am Seil entlangrollte. Oder wie die Wasseroberfläche in einer schmalen, langen Wanne, in die man an einem Ende einen Tropfen Wasser fallen ließe, dessen Welle dann die Länge der Wanne entlangliefe.
    »So eine Welle«, erklärte er langsam, »benötigt eines, um sich im Raum fortzupflanzen: Zeit.« Und weil es ganz ruhig war im Raum, fügte er an: »Genau wie übrigens auch das Licht.«
    Und was passiere, fragte er selbst ins Publikum, wenn die Welle am anderen Ende auf eine Ladung träfe?
    »Dann bewegt sie diese Ladung. Wie ein Springseil sich am losen Ende bewegt, der Tropfen Wasser, der sich am anderen Ende des langen, schmalen Beckens befindet, sich hebt und wieder senkt.«
    Diese Ladung konnte, zum Beispiel, auf dem Sehnerv sein: »Denn Nerven sind elektrisch.«
    Woraus denn diese Linien oder Seile oder Saiten gemacht wären, wollte Airy wissen.
    Natürlich wusste er das nicht.
    »Die Linien selbst sind ganz abstrakt«, gab er zu. »Sie bilden Felder und stellen die Kräfte dar.«
    Er wusste auch nicht, wie viel Zeit die Welle benötigte, und er wusste nicht, wie richtig das alles sei. Es handle sich nur um seine Vorstellung von der Welt.
    Airy war ein freundlich aussehender Herr mit Nickelbrille, weißem Backenbart und von sich aus lächelndem Mund. Nachdem Faraday seine Ideen aufgeschrieben und veröffentlicht hatte, widerlegte Airy sie. Ihre Freundschaft störte das gar nicht, im Gegenteil.
    Auguste de la Rive schrieb aus Genf, er sei froh, nicht mehr in Paris zu sein, wo sie am einen Ende der Stadt tanzten und wo am anderen Ende der Holzkarren durch die Straßen gezogen wurde, der die Toten der Cholera einsammelte.
    Bei Newton fand Faraday eine Erklärung über Gravitation im Vakuum, die sich in seinem Sinne auslegen ließ. Es war nämlich gar nicht Newton, der die Fernwirkung erfunden hatte, sondern seine Jünger. Newton konnte sich auch nicht vorstellen, dass die Gravitation den Apfel durch ein Vakuum erreichte, ohne dass sie kommuniziert werden musste.
    »Ja, ja«, sagten alle und dachten: Ja, ja.
    Nur die Mathematiker lächelten freundlich und empfahlen ebenso freundlich, die Mathematik den Mathematikern zu überlassen: Ob das nicht ein ganz guter und gut gemeinter Rat sei? Still trauerte Faraday der in seinem Leben verpassten einen großen Liebe nach: der Mathematik. Was hätte er mit ihr jetzt alles anstellen können!
    Im Keller suchte er weiter, nach dem Einfluss der Gravitation auf Licht, nach einem Beweis für die endliche Geschwindigkeit seiner geliebten elektromagnetischen Welle, und spürte doch nur die Zellen im Kopf, in denen er sich noch bewegen konnte, langsam und stetig kleiner werden. Wie aus der Ferne hörte er von einem Buch, das in Deutschland herausgekommen war und von Lichtbildarchiven im Universum erzählte und von Gottes Auge.
    »Von wem?«, wollte Faraday wissen.
    »Der Autor«, sagte Anderson, »hat ein Pseudonym gewählt.«
    »Welches denn?«
    »F. Y.«, sagte Anderson, »er sagt, die Zeit sei im Raum aufgehoben.«
    »Hm«, machte Faraday.
    Dann vergaß er es.
    Oft war Brunel junior in der Zeitung. Er wollte das größte Schiff der Welt bauen, sein Great Babe : sechshundertneunzig Fuß lang, zweihundertelf Meter, mit zwei Dampfschaufeln rechts und links und einer Schraube am Heck für über zehn Knoten Tempo, welche die viertausend Passagiere nach Amerika oder jedenfalls weit weg bringen sollten.
    »Gerne«, meinte der eine oder andere staunend, am Kai die schiere Größe abmessend, »auch Iren.«
    Den zusätzlich zu den mechanischen Antrieben vorhandenen sechs Masten gab man

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