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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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aufschnappen. In Broad Street 40, fand der Pastor heraus, hatte eine Mutter das Waschwasser der Windeln ihres kranken Kindes dorthin geschüttet, wohin es gehörte: in die Sickergrube des Hauses. Das Kind war gestorben. Die Sickergrube lief nur bei starkem Regen über, und den gab es im Moment nicht. Aber sie befand sich auch nur drei Fuß vom fraglichen Brunnen entfernt, und wann sie gemauert worden war, wusste niemand. Schnell hatte man ausgemessen, dass der Brunnen das tiefere Loch war. Nach der genauen Sünde, die in dieser Tat der Mutter verborgen lag, noch suchend, erzählte Whitehead überall davon.
    Dr. Snow fiel zur selben Zeit Folgendes auf: Unter den fünfhundert Bewohnern des Arbeitshauses, das um die Ecke in der Poland Street lag, gab es nur fünf Erkrankungen. Das Haus hatte seinen eigenen Brunnen. Mit bloßem Auge sah Snow im Wasser des einen Brunnens weiße Flocken, in dem des anderen nicht. Er brachte die Proben zum Mikroskopiker Dr. Arthur Hill Hassall, der zwar viel organisches Material in den Tropfen entdeckte, aber nichts Ungewöhnliches dabei fand.
    Blieb nur die Statistik, die an der Unübersichtlichkeit der Wasserleitungen genauso krankte wie an der Unmöglichkeit, nachzuvollziehen, wer wo einen Schluck genommen hatte.
    »Es ist das Miasma«, sagten alle, denn das klang besser als »Dünste« und ließ die Debatte wieder bei Null starten. Dr. Snow setzte beim Gesundheitsdirektorium nach. Schließlich durfte er den Brunnen probehalber schließen lassen, denn, ach Gott, wieso nicht? Beleidigt zog sich die Cholera zurück, was Reverend Henry Whitehead als »Wille des Herrn« verstand. Er ließ sich dafür am Sonntag persönlich feiern.
    »Beten wir«, meinte er mit selbstsicher erhobenen Händen und selbstverständlich getragenem Ton, »dass unsere Sünden Vergebung erfahren und dass auch beim nächsten Mal wieder jene gestraft werden, die Gott dazu bestimmt hat.« Bei dieser Gelegenheit empfahl er den Bewohnern des Arbeitshauses, sie mögen doch öfters den Weg zu ihm finden, noch einmal würden, da sei er ganz sicher, gewiss nicht ausgerechnet sie verschont werden. Seine aufkommenden Zweifel an den eigenen Worten rang er nieder, indem er sich wieder und wieder sagte, dass es das Wichtigste sei, nicht an der Güte des Herrn zu zweifeln. Wie immer. Nur jetzt erst recht nicht. Bei dieser Cholera.
    Ganz wurde der aus Ramsgate stammende Mann die Unsicherheit, die ihn beschlichen hatte, aber nicht mehr los. Er unterstützte Snow und sammelte weiter Fakten. Das Gesundheitsdirektorium war der Auffassung, die Cholera sei gestoppt worden, weil nur eine Woche nach Ausbruch drei Viertel aller Anwohner geflüchtet waren. Man glaubte an das Miasma.
    »Mrs. Eley kann leicht durch vom Miasma verseuchtes Wasser, vom Miasma verseuchte Kleidung oder«, meinte man hochoffiziell, »durch das Drücken einer vom Miasma verseuchten Hand umgebracht worden sein.« Das Miasma war ja um die Broad Street herum besonders stark.
    Schließlich ließ man in einer überdimensionalen Aktion alle Sickergruben schließen und alle offenen Rinnen und Kanäle spülen, damit sämtliche Abwässer der größten und großartigsten Stadt, der ersten Metropole der Welt, Heimstatt von mittlerweile wer wusste schon wie vielen Millionen, in die Themse flossen. Dankbar färbte der Fluss sich schwarz. Faraday protestierte aus seinem Drehschwindel heraus mit einem offenen Brief. Und als der Sommer 1858 kam, war es ein sehr warmer, kraftvoller Sommer, der die Farbe in die Luft steigen ließ. Wer atmete, musste kotzen, Todesangst hin oder her, und wer konnte, floh aufs Land. Wer nicht konnte, der blieb hinter seinen geschlossenen Fenstern sitzen und hielt die Luft so gut an, wie es möglich war und darüber hinaus. Den Rest der Zeit atmete man flach und wartete auf die ersten Symptome, von denen an man beten konnte und die Stunden gegen die verlorenen Pfunde aufrechnete. Dann erzählte man sich die Fälle aus der Nachbarschaft, die es trotz schlechter Zahlen überlebt hatten.
    Im Unterhaus tränkte man die Vorhänge in Chlorid, hoffend, eine Sitzung abhalten zu können. Sir Joseph William Bazalgette, wie Brunel junior ein Held der Eisenbahn, hatte bis dahin einen sieben Jahre langen Kampf um Gelder für ein Kanalsystem geführt, das die Fäkalien an der Themse entlang und so weit hinunter gen Nordsee führen sollte, dass die Ebbe sie zweimal am Tag mitnehmen würde. Er bemerkte mit zugehaltener Nase, die Cholera verschlafe im Moment wohl das

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