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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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wenn er allein war und nichts tat, vergaß er das und glaubte sich wieder gesund, aber nach jeder Rückkehr fing es sofort wieder an. Er nahm an Kongressen nicht mehr teil. Viel Zeit verbrachte er »depressiv im Bett«, unfähig auch nur zu einem inhaltslosen Gespräch mit Sarah: »Glaube nicht eine Sekunde«, schrieb er De la Rive nach Paris, »ich sei unglücklich.«
    Kollegen hielten ihn für gesund, »angesichts seiner Publikationen«, die er selbst vergaß und vor jedem Vortrag lesen musste wie ein Fremder.
    Sarah wurde ebenfalls krank, Rheumatismus oder mangelnde Energie in den Nerven, und worauf die wissenschaftliche Gemeinde in tausend Jahren nicht käme, leitete die Gemeinde der Sandemanier in diesem Moment ein: seinen zweiten Ausschluss. Die Auslegung eines Verses in den Korintherbriefen wurde ihm vorgeworfen. Sie stimme nicht, sagten genug seiner Glaubensbrüder, und der zweite Ausschluss war nach der Regel der letzte. Regeln der Sandemanier waren nicht zum Brechen da, so schrieb Sarah nachts flehende Briefe an Freunde in der Gemeinde. Hätte sie mit einem Ausgeschlossenen noch leben können, ohne selbst ausgeschlossen zu werden? Faraday schlief nicht, wollte kein Heuchler sein, flehte in eigenen Briefen und Treffen, legte seinen Stolz vor der Gemeinde ab, flehte hündisch und wurde verschont.
    Er traf Lady Lovelace. Sie war durch Arbeiten zur Differenzmaschine von Babbage bekannt. Öffentliche Aufmerksamkeit hatte sie nie verloren, obwohl diese sie nur behinderte. Thema waren ihre vielen, angeblichen Affären und die Liebe zu Pferdewetten. Sie arbeitete, erzählte man sich, an der perfekten Wette.
    »Wie immer machen Sie mit mir, was Sie wollen«, schrieb Faraday ihr. Er bedauerte, sie krank zu wissen, wünschte ihre Genesung, von der er ausging, während seine Defekte im Wachstum seien und nur mit dem Leben beendet würden. Als die Gräfin sechsunddreißigjährig starb, ohne je zu Bibliotheken zugelassen worden zu sein, hatte sie über Mathematik nur lesen können, was dank ihres Mannes in der Royal Society für sie abgeschrieben worden war.
    James Clerk Maxwell hatte mehr Glück. Dem Jungen mit der komischen Kleidung, dem merkwürdigen Humor, der Angewohnheit, dritter Klasse zu reisen, weil die harten Bänke so angenehm seien, und der Neigung, nachts um zwei in den Gängen des Studentenheimes Dauerlauf zu trainieren, eilte der Ruf der totalen Unfähigkeit voraus, sich in physikalischen Dingen zu irren. Von den Experimentellen Erforschungen der Elektrizität war er mittlerweile – elektrisiert.
    Maxwell hatte einen Sprachfehler. Er machte lange, irritierende Pausen, zwischen denen er redete, als sei in seinem Hirn die Instanz, die Inhalte vor dem Aussprechen überprüfte, kaputt. Um dies zu mildern, hatte er geübt, Teile seiner Sätze imaginativ auf Wände zu projizieren, von denen er sie dann langsamer ablas. Jetzt war es sein abwesender Blick, der jeden störte, bis man das gutmütige Wesen des Jungen kennengelernt hatte und ihn dann und wann freundlich ins Gespräch zurücklenkte. Briefe an seinen auf dem Gut Glenlair bei Edinburgh allein zurückgeblieben Vater zeichnete er gerne mit Jas Alex McMerkwell und adressierte sie an J. C. Maxwell, Postyknowswhere, Dumfries.
    Den Schnitt im Bauch seiner Mutter hatte er nie gesehen. Er hatte aber das Gespräch des Arztes mit seinem Vater mitgehört, hatte die beiden sprechenden Gesichter gesehen, aus denen das Unheil hing. Tag und Nacht hatte er sie vor Augen. Er hatte die kraftvolle Stimme seiner Mutter vor der Operation Tag und Nacht im Ohr und ihre dünne, gebrochene Stimme danach auch Tag und Nacht. Er träumte von ihr. Sein Wunsch, diese Welt als harmonisches Ganzes zu sehen, war nicht zu befriedigen.
    In Glenlair musste er als Kind herausfinden, welches Seil welche Klingel betätigte, und dann den Weg jedes Seils durch das verwinkelte Gebäude lückenlos nachverfolgen. Als Schüler in Edinburgh musste er die Konstruktion eines Würfels vom sechsseitigen über alle Stufen bis zu dem mit zwanzig Seiten nachvollziehen, in Cambridge musste er jede Diskussion über Religion und Wissenschaft bis zum vorläufigen Ende führen, egal wie spät es war und wie viele seiner Kommilitonen auf ihren Stühlen schon eingeschlafen waren. Kreise, Kurven und Geraden musste er im Geist so lange aufeinander abrollen, bis keine neue Figur mehr zu entdecken war. Manchmal kam am Ende wieder eine Gerade heraus.
    Faraday war nicht sicher, ob er von Maxwells Farbtheorie schon

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