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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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Bergwerken. Die Arbeiter könnten dann Vorträge hören über den Fortgang der Naturphilosophie, wie es ursprünglich, zur Zeit Buonapartes, das Ziel der Institution gewesen war.
    »Eine interessante Sache«, schrieb er mit flatterndem Herzen dem Chirurgen William Flexman nach Devon, der ihn auf die Idee mit der Leidener Flasche gebracht und gefragt hatte, ob es gefährlich sei. »Es funktioniert und sollte weiter beobachtet werden. Nur fackeln Sie Ihr Haus nicht ab, und bringen Sie sich nicht selbst um dabei.«
    Wenn er jetzt am Fenster stand in seiner kleinen Wohnung der Institution , waren die Dächer seines London kleiner geworden. Als sähe er sie aus einem Wagen im Wegfahren noch einmal an. Oder als führen sie von ihm weg und ließen ihn zurück und riefen ihm noch zu, er solle sich beeilen. Er verwandelte sich, etwas verwandelte ihn, und er konnte Fehler begehen, das Leben würde dann ohne ihn weitergehen. Zeit anhalten, das wäre eine Lösung gewesen. Wenn er hinunterging ins Labor, war Sarahs helle Stimme in seinem Ohr, im Kopf, im Herz und in den Knien. Ihr Bild war vor seinen Augen, ohne dass er, der Meister im analytischen Beschreiben, sie oder ihre Stimme hätte einem Freund darstellen können in ihren Eigenarten: Weich und entschieden? Die Stimme einer Neunzehnjährigen. Ihre Locken. Zum Glück musste er nicht darüber reden, und erst nach einer Stunde Labor vergaß er sie, wenn er eine Messreihe notierend glücklich war. Er vergaß Sarah Barnard dann ganz und gar.
    Abends, die beiden ungeheizten Zimmer unterm Dach betretend, die auf ihn gewartet hatten, deren Dielen knarrten, weil den ganzen Tag niemand auf ihnen gelaufen war, war Sarah wieder da. Sie war da, wenn er allein über seinen Kartoffeln saß, wenn er noch las, wenn er zu Abbott auf dem Weg war und wenn er von Abbott zurückkam. Selbst in den Vorträgen der City Philosophical Society war sie da. Einmal wurde er von Abbott angesprochen und musste feststellen, die Gesellschaft um sich herum vergessen zu haben, so vergessen zu haben, wie er damals als Laufbursche die Welt um sich vergessen hatte, als er auf der Mauer sitzend in der Zeitung von Davy und der Wissenschaft erfuhr.
    Gehen lassen war für Faraday keine Option. Arbeit war jetzt gut für ihn. Vor dem Sonntag fürchtete er sich, und er sehnte ihn herbei.
    Am Sonntag fand er es mehr als gut, seine Mutter neben sich zu haben und die Geschwister. Er lächelte alle an, nickte im Kreis herum, vielleicht würde sie ihn kaum beachten, nicht mehr als andere, wahrscheinlich hatte er sich ja nur eingebildet, sie habe ihn anders angesehen als andere. Vermutlich sah sie alle so an, mit schlichter Freundlichkeit und mit diesen grünen Augen, die anders waren, anderes sahen als er. Sie gaben ihm das Gefühl, dass er eigentlich nichts sah. Das ärgerte ihn.
    Faradays trafen vor den Barnards ein. Sarah saß trotzdem einige Reihen weiter vorne, ihre Haare zusammengenommen, ihr Ohr frei. Wie sie ihren Hals beugte, um in die Bibel zu sehen, wie ihr die zusammengebundenen Haare in den Nacken fielen, wie sie aufstand und sang. Beim Einatmen hoben sich ihre Schultern, Silbe um Silbe, Zeile um Zeile senkten sie sich langsam. Und wie sie betete, eins mit sich und mit allem.
    Er war ratlos. Als die Familien sich in der Pause begrüßten,
redete er wie in eine Halle hinein, deren Größe er nicht überblicken konnte, aus der kein Geräusch zurückkam, er sah angestrengt um sich. Auf Sarah wirkte er, gestand sie am Abend ihrer Mutter, kühl. Wenn nicht, ehrlich gesagt, hochmütig. Es musste sich doch, meinte sie, an irgendeiner Stelle ein Irrtum eingeschlichen haben.
    Bei Faraday hinterließ der Irrtum, den er sofort bemerkt hatte, einen Schmerz, der nicht nur beim Blick über die Dächer, wenn er die Bildung der Wolken und der Rauchsäulen studierte, spürbar war. Sarah war von der Leerstelle aufgestanden und gegangen und hatte sie kälter und leerer zurückgelassen, als vorstellbar war. Und ihn. Ein kalter, dunkler, gut gefüllter Brunnen war übrig, in den er seinen Kopf hätte tauchen mögen. Dabei war der Wunsch zu verschwinden, in ihr, doch seltsam, wenn nicht beschämend.
    Sollte es das sein, was er wollte? Er fragte Abbott um seine Meinung, der gern und lebhaft in manches Detail ging, und Faraday wusste, er würde nicht noch einmal in seinem Leben darüber reden. Er schlief noch später ein und wachte noch früher auf und schlief nicht mehr ein. Nicht nur er selbst nahm seine Reizbarkeit wahr.
    In der

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