Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
Vom Netzwerk:
Repräsentantenhaus weiterdiskutierte, und es wurde Juli, bis er es endlich nicht mehr aushielt und sein Herz in Sarah Barnards Hände legte.
    »Du kennst mich«, schrieb er, »so gut wie ich mich selbst oder besser. Du kennst meine Vorurteile von früher, meine Gedanken von heute. Du kennst meine Schwächen, meine Eitelkeit, mein Wesen im Ganzen. Du hast mich von einem falschen Weg geholt, lass mich hoffen, dass Du auch andere Fehler noch korrigierst. Wieder und wieder versuche ich, was ich fühle, zu sagen, aber das kann ich nicht. Lass mich aber wenigstens behaupten, dass ich nicht der Selbstbezogene bin, der Deine Zuneigung nur zum eigenen Vorteil erwerben möchte. Wie auch immer ich zu Deinem Glück beitragen kann, sei es durch Fleiß oder Abwesenheit, es soll geschehen. Aber strafe mich nicht für den Wunsch, mehr als ein Freund zu sein, indem Du mich zu weniger als dem machst. Kannst Du mich nicht zu mehr machen, so lass mir, was ich habe, und hör mich an.«
    Sarah zeigte diesen Brief ihrem Vater, der wie sein Sohn und sein Vater Edward hieß und der nur lachte und der Auffassung war, dass »die Liebe selbst aus Philosophen noch Dummköpfe macht«.
    Sarah amüsierte das für einen Moment. Wenn sie allein war, half es aber nicht weiter bei der Frage, ob sie sich binden wollte an einen Mann, der jede Achtung verdiente und den sie sehr mochte, dessen Temperament sie fürchtete und dessen Leidenschaft sie, wie sie ihrer Schwester Mary Reid sagte, ganz bestimmt nicht erwidern könne.
    Faraday als nervös zu bezeichnen wäre stark untertrieben gewesen. Sarahs Bruder ließ sich als Freund in der Albemarle Street sehen. Er berichtete im Dachzimmer, Faraday hörte sich seine lange, langsame und Pointen strikt vermeidende Erzählung der Vorgänge im Haus Barnard an. Sie hätte nach der komplizierten Erklärung einer doch eigentlich einfachen Situation mit einem guten, schönen, richtigen letzten Satz beendet werden müssen, der alle Zweifel beseitigen würde.
    Edward sagte aber abschließend gepresst: »Vater hat die Mädchen für ein paar Wochen nach Ramsgate geschickt.«
    Faraday hätte aufstehen können, um festzustellen: Ramsgate. Er stand aber wortlos auf, ging ein bisschen im Zimmer herum. Dann stellte er trocken fest: »Für ein paar Wochen.«
    »Das ist sicher gut«, meinte Edward mit oder ohne Bedacht, »wenn sie in ein paar Wochen weiß«, er stockte instinktiv, fügte noch auslaufend an: »ob sie ...«
    Weiter kam er nicht, und er musste es auch nicht. Obwohl es für Faraday sicher gut gewesen wäre, wenn das Wort »heiraten« noch gefallen wäre, zumal hier in seinen Wohnräumen. Es blieb Edward aber auf der Zunge liegen. Faraday wollte es nicht hören, sei es aus ungenauem Aberglauben oder weil er dessen Gewicht scheute. Für einen Liebeskranken, der kaum über den Tag kommt, ohne irgendeine Neuigkeit von seiner Geliebten, genügten die Ausführungen und Erklärungen des Bruders in all ihren Windungen und Komplikationen als Last.
    Aber einem, der seit Monaten selbst vom täglichen Beweis, dass noch nicht alles ganz verloren ist, nur träumen kann und der sich mit heißen, zitternden, direkt am Herznerven hängenden Händen und Knien von Sonntag zu Sonntag log, ohne genau zu wissen, wie lange er noch so in sich würde hausen können, gaben die »paar Wochen« den Rest.
    Faradays Welt bestand zwar auch sonst in Detailreichtum und möglichst filigranen Denkfiguren, aber umso besser wusste er, dass es am Ende immer nur eine zu respektierende Wahrheit gab und nichts zu diskutieren. Ein Weg voller Bedenken war selten ein gutes Zeichen.
    »Ein paar Wochen lang«, stellte Faraday noch einmal fest.
    »Das stehst du durch«, war Edward beim Gehen fest überzeugt, als Faraday ihn wortlos durch die Halle begleitete und die Tür aufschloss, ihm zunickte und fragte, wann sie denn führen.
    »Heute morgen sind sie gefahren«, konnte Edward nur sagen, und Faraday nickte, ehe er wieder abschloss und die steile Treppe um alle ihre Kurven hochstieg, in sein Zimmer ging und ans Fenster.
    Er musste sich nicht anstrengen für die Vorstellung, wie sie in den »paar Wochen« mit ihrer Schwester auf das Meer sah und an der Promenade auf- und abging. Wie sie hier einen Blick einfing und dort zwei. Faraday war nie in Ramsgate gewesen, er kannte die Strände aus Frankreich und Italien. Alle machten Urlaub an solchen Orten, alle waren fröhlicher als in der Stadt, freundlicher, atmeten gute Luft, ließen die Sonne auf die Augenlider,

Weitere Kostenlose Bücher