Die Entdeckung des Lichts
kommen, wenn er es wünsche, denn noch vor elf müsse er aus dem Haus.
Faraday kehrte, nicht ahnend, wie lange das Thema am Leben bleiben würde, binnen einiger Tage zu einem normalen Schlaf zurück. Im Dezember verfeinerte er seinen Apparat und konnte den Magneten weglassen: Der Draht rotierte auch um das Erdmagnetfeld.
2 Humphry Davy
Nachdem sein ehemaliger Reisediener, den er einst von der Straße aufgelesen hatte, gegangen war, blieb Humphry Davy am Fenster stehen.
In der Royal Society gab es nicht wenige, die gegen die jahrzehntealte Vetternwirtschaft des Tyrannen Banks endlich vorgehen wollten. Aufnahmen neuer Mitglieder und andere Zuwendungen und Privilegien sollten nur noch streng nach wissenschaftlicher Qualifikation vergeben werden. Ihre Hoffnung war Davy. Andere, deren Hoffnung ebenfalls Davy war, wollten alles so belassen. Die rechte Hand Sir Humphrys war den einen, der Sohn des Grobschmieds James Faraday den anderen ein Dorn im Auge, obwohl James Faraday fraglos ein guter Mann gewesen sein mochte.
»Außerdem«, dachte Davy, »hätte er uns zitieren müssen. Der letzte kleine Schritt war nicht so wichtig.«
Aber dass diese ganze Elektrodynamik ihn auch nie wirklich angezogen hatte, dachte er auch. Sie hatte keine Farbe, roch nicht, man konnte sie nicht anzünden, schmelzen oder komprimieren. Und von den Flüssigkeiten, von denen die Elektriker immer sprachen, hatte noch nie jemand wirklich etwas gesehen. Dafür ging sie scheinbar mit jedem ins Bett. Sogar mit der Hilfskraft. Na schön, dann sollte der Faraday jetzt eben sein eigenes Spielzeug haben! Er selbst, beschloss er, wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben, mit der Elektrodynamik.
Nach der Freisprechung durch Wollaston konnte Faraday die freundlichen bis enthusiastischen Briefe aus Frankreich genießen: Hachette schrieb, Gay-Lussac schrieb, De la Rive schrieb. Ampère gab eine Demonstration an der Pariser Akademie, ließ Faradays Artikel ins Französische übersetzen und veröffentlichen. Im Januar sandte Ampère, dessen Theorie widerlegt und dessen wissenschaftliche Gefühle nicht im Geringsten beleidigt worden waren, einen freundschaftlichen Brief. Er enthielt weitere, von Ampère mittlerweile entdeckte Details.
Selbstverständlich kam schnell wieder der Alltag zum Zug, und das war die Institution . Ihre Finanzen standen nicht gut, seit Davy nicht mehr vortrug. Brande gab sich Mühe, aber es zählte nur das Ergebnis. Einmal fiel er wegen Krankheit aus, Faraday musste einspringen. Im Halbrund des Saales, die steilen drei Ränge vor sich halb gefüllt mit Menschen voller Erwartungen und etwas Skepsis, was der vergleichsweise junge, vergleichsweise unbekannte, ziemlich kleine Mann, der hier sonst die Apparate betreute, wohl können mochte, fühlte er sich sauwohl. Die jahrelangen Vorbereitungen auf diesen Moment zahlten sich aus. Er sprach und demonstrierte und schrieb an die Tafel, er zeigte mit dem Zeigestock, machte Pausen, sagte nicht ein einziges Mal Äh , und spielend sprang er von einer Erklärung in eine nächste, die feiner war, detaillierter, und von da wieder in die nächste, bis ein Sachverhalt so weit auseinandergefaltet war, dass jeder, der es wollte, ein Gefühl für die Vorgänge der Natur bekam. Nichts Dämonisches blieb an ihr hängen, wenn Faraday über sie sprach.
Im Keller experimentierte er mit Plumbago, mit der Zyangruppe und mit Chlor: Er entdeckte, dass man Chlor mit Hitze und Druck verflüssigen konnte. Für den Artikel setzte Davy durch, dass er als Initiator genannt wurde, der das Ergebnis vorausgesehen habe. Später bemerkten beide: Das Verfahren war schon 1805 beschrieben worden.
Davy, dessen Führungsstil nicht viel Applaus erhielt, schrieb im Herbst an seinen Bruder, dass er die für die Jahreszeit schon üblich gewordenen Probleme mit Magen und Darm habe und Schmerzen in Händen und Füßen: »Kann das die Gicht sein«, fragte er den Arzt, »oder kommt das vom Magen?« Sachte ahnte er, dass der helle Tag, von dem er vor zwanzig Jahren gesprochen hatte, über den Sonnenaufgang noch nicht hinausgekommen war. Nicht mal den späten Vormittag würde er selbst erleben. Das machte ihn nervös. Die Zukunft war statt einer langen Straße durch sich wandelnde Landschaft jetzt eine sich im Nebel abzeichnende Klippe, die er nur noch nicht erreicht hatte. Er wurde langsamer. Entschlüsse fielen ihm nicht mehr zu, wie früher die anbetenden Blicke. Er rang sie sich jetzt ab und war dann selten mit ihnen zufrieden.
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