Die Entdeckung des Lichts
Zeitung zu, angenommen zu haben, der Professor habe eine angenehme Reise gehabt, wie sie Philosophen allgemein bei so ehrenwerten Anlässen zu haben pflegten: »Wenn er tatsächlich«, kam sie zum Schluss, »einen unangenehmen Reiseverlauf hatte, so wünschen wir ihm für die nächste philosophische Reise besseres Wetter wie generell ein besseres Gemüt.«
»Wäre Krieg«, sagte ein Kunde von Riebau mit der Zeitung in der Hand zu seiner Frau: »wegen diesem Professor Davy verlöre die Krone ihn.« Er hatte es im Observer, dessen Abonnent er auch war, so gelesen, und sie nickte zustimmend und widmete sich ohne falschen Stich wieder ihrer Handstickerei.
Faraday nahm den Vorgang mit Unwillen zur Kenntnis, verdrängte ihn jedoch wie schlechtes Wetter, an dem man nichts ändern konnte. Dann vergaß er es, wie mittlerweile so vieles, was an seinem Zentralorgan abprallte oder in dessen Urwald verräumt oder weggeworfen und überwuchert wurde, um nie wiedergefunden zu werden. Er musste immer nach vorne sehen, das war anstrengend genug.
Gegenüber André-Marie Ampère bedauerte er, nicht früher auf den Brief geantwortet zu haben, den der Franzose ihm voll Bedauern darüber geschrieben hatte, ihm nicht früher geantwortet zu haben. Außerdem hatte Ampère sich um einen Brief gesorgt, den Faraday an Dr. Brewster in Edinburgh hatte weiterleiten sollen, und nun wies Faraday auf sein schlechtes Gedächtnis hin: Er könne nicht sagen, ob er jenen Brief zusammen mit diesem bekommen habe, der ihm selber galt, er wisse nicht, ob er ihn gleich weitergeleitet und vergessen oder ihn vielleicht nie gesehen habe. Gerne wollte Faraday vom großen Ampère erfahren, was aus dem Brief geworden sei. Aber auch das vergaß er bald.
Freitags las er in der Albemarle Street vor Publikum. Die Einnahmen des Hauses, dem er sich noch mehr verpflichtet fühlte, als dass er es als seines betrachtete, stiegen wieder. Davy ließ sich doch noch einmal mit der Elektrodynamik ein, wenn auch nur für wenig mehr als eine giftige Bemerkung zu Faradays »genialer Entdeckung«. Dann schlug Phillips Faraday zur Wahl in die Royal
Society vor.
»Sie verzichten«, verlangte Davy mit hochrotem Kopf und zusammengebissenen Zähnen auf den Stufen zwischen den dicken kurzen Säulen der Albemarle Street von seinem ehemaligen Reisediener, als er ihn dort zufällig traf. Die Aussprache seines Lehrers und ehemaligen Vorbildes war als Sprühregen in Faradays Gesicht angekommen, zudem stand er in Davys neuerdings sehr unangenehmem Atem, als er erwiderte, er könne sich nicht von der Liste der Kandidaten nehmen: »Ich habe mich ja nicht selbst eingetragen.«
Er solle, so Davy erbost, seine Förderer dazu bringen, den Antrag zurückzuziehen.
»Das«, sagte Faraday trocken, »machen sie nicht.« Unter den zwei Dutzend war auch Dr. Wollaston.
»Dann werde ich«, zischte Davy, »als Präsident den Antrag zu Fall bringen.«
Der Kandidat entgegnete, Sir Humphry würde gewiss tun, was für die Gesellschaft das Beste sei. Faraday empfahl sich korrekt, es sei denn, er war immer noch der Diener des Nachttopfs.
Seine Sache betrieb er diesmal aber selbst. So traf er sich mit Henry Warburton, dem anderen Gegner seiner Kandidatur, und veröffentlichte einen Bericht über den zeitlichen Ablauf des Rotationsexperimentes. Er lüftete das Geheimnis um den Autor der Übersicht über den Elektromagnetismus, M. Er überzeugte Warburton, kein Plagiator zu sein. Warburton zog seine Bedenken zurück und unterstützte Faraday, nachdem noch einige Briefe gewechselt worden waren. In geheimer Abstimmung und mit einer Gegenstimme wurde der Sohn des Grobschmiedes James Faraday zum Mitglied der Royal Society gewählt. Er habe es, sagte er, »gewollt und dafür bezahlt«.
Das Verhältnis zu Davy sollte nie wieder dasselbe sein. Nie wieder sollte auch das Verhältnis von Davy zu sich selbst sein wie zuvor, und das zum Londoner Leben war sowieso gestört. Er spürte seine Kraft schwinden und schwinden und weigerte sich, sie mit dem Willen oder gar den Möglichkeiten gleichzusetzen. Davy war sechsundvierzig. Menschen in seiner Umgebung herrschte er an. Er, der Superlativ der Jugend, die luftgleiche Intelligenz, die leichte, lächelnde Hand, er, der aus nichts als Energie, aus Witz und Aufmerksamkeit und Eleganz bestanden hatte, wollte Unangenehmes durch reine Ablehnung erledigen. Er sah viel aus dem Fenster und wusste nicht, weshalb und wozu schon wieder ein Tag um war, eine Woche, ein halbes Jahr.
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