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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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Störungen, fand keine. Er ging mit einem Röhrchen von Newman und der kleinsten Batterie, die er hatte, auf die Straße, ohne die Blicke der Nachbarn zu bemerken. Er rannte die Treppe hoch in die Wohnung unterm Dach, immer rotierte der Draht wie beim ersten Mal. Er lief bis Hampstead, um auf dem Hügel zu sehen, dass der Draht unbeeindruckt rotierte. Er hatte nie etwas anderes gewollt.
    »Die werden sich melden«, sagte Sarah abends mit banger Stimme.
    Der vierte und der fünfte Tag gingen herum. Weder Davy noch Brande noch sonst jemand ließ sich sehen. Auch der Schlaf hatte sich wieder davongemacht. In den Nächten lauschte er Sarahs Atem und den Geräuschen im Haus. Von den Holzbalken über dem Bett kannte Faraday trotz seines schlechten Gedächtnisses jede Faser, den Lauf der Maserung hätte er mit verbundenen Augen aufmalen können.
    Das meiste, was Brande ihm erklärte, als Faraday am sechsten Tag um eine Unterredung bat, hatte er sich in den Wellen der Selbstzweifel, die längst zur Springflut der Selbstanklage in den Stimmen der anderen geworden waren, schon erschlossen: Er habe Wollaston nicht zitiert, der die Rotation vorhergesagt habe. Er habe Davy nicht gedankt für seine Anleitung und Förderung seit jenen Tagen bei De la Roche über die Europareise bis hin zum Hier und Jetzt: seinem Leben in der Institution . Er hätte sich nicht einmal ohne Erlaubnis mit dem Thema beschäftigen sollen, während Wollaston so nah an der Lösung war. Übersetzt: Er war ein Schmarotzer, der sich an den Leistungen der anderen bereicherte und keine Dankbarkeit zeigte für die Förderung, ohne die er heute noch viel mehr ein Niemand wäre, als er es zu diesem Zeitpunkt noch immer war. Er hatte alle vor den Kopf gestoßen, die nichts als ihn gefördert hatten. Niemand sprach es aus, alle dachten es: Er war genau, wie man sich jemanden seines Standes vorstellte. Seiner Förderung, seiner Anstellung und seiner Kollegen nicht würdig. Er war, wie jeder Kritiker es immer gewusst hatte. Man würde nicht noch einmal einen von der Straße nehmen.
    »Ich bin sehr enttäuscht«, sagte Davy im Büro der Royal Society , als er Faraday nach weiteren zehn Tagen Wartezeit empfing. Davy drehte seinem ehemaligen Diener den Rücken zu und sah aus dem Fenster, als er das sagte. Beide hatten Bilder aus Paris, Marseille, Florenz, Rom, Neapel, München vor Augen, wie Faraday morgens klopfte, mit gesenktem Blick hereinkam und den Nachttopf abholte. Diktatorisch ging Davy die Punkte durch. Faraday hörte zu.
    »Es war Rücksicht«, meinte er dann ruhig, »dass ich bei einem ganz neuen Befund ohne Rücksprache weder Sie noch Dr. Wollaston namentlich erwähnte. Ich hatte kein Recht, unpublizierte Gedanken zu referieren oder Sie ohne Erlaubnis als Förderer in einer Sache in Anspruch zu nehmen, von der Sie keine Kenntnis hatten.«
    »So neu ist der Befund keineswegs, wie Sie ihn darstellen.« Davy spielte mit einer Zigarre. »Wir hätten die Rotation auch gefunden. Es gab bei der Apparatur einen kleinen Fehler. Ich war ja dabei. Die Rotation aber hatten wir.«
    Welchen Fehler: Das zu fragen, wäre keine gute Idee gewesen.
    »Ich konnte nicht ahnen, dass Wollaston nach sieben Monaten erneut an dem Thema arbeiten wollte.«
    »Er hat nie aufgehört«, sagte Davy trocken: »Niemand hat je aufgehört damit.«
    »Wenn Sie es anders sehen, als ich es tue«, sagte Faraday, »möchte ich mich entschuldigen.«
    Er meinte, bei Davy ein Nicken gesehen zu haben. Auch ein Zittern der Hände oder ein unterdrücktes Beben des Oberkörpers glaubte Faraday wahrzunehmen, bevor sie in keine gemeinsame Zukunft auseinandergingen. Davy wandte ihm beim Öffnen und Schließen der Tür wieder den Rücken zu, sodass ein Wort des Abschiedes, das man hätte freundlich sagen können, nicht fallen konnte. Schließlich war Faraday froh, draußen zu sein. Er hatte sein Gesicht gezeigt, hatte seine Meinung zusammen mit einer Entschuldigung vorgebracht, obwohl sie nicht begründet war.
    Er schrieb an Wollaston, bat um ein Gespräch.
    Wollaston schrieb zurück: »Sie haben eine falsche Vorstellung über die Stärke meiner Gefühle bezüglich des von Ihnen vorgebrachten Punktes. Die Meinung anderer über Ihr Verhalten ist Ihr Problem, nicht meines. Und wenn Sie sich selbst vom inkorrekten Benutzen der Vorschläge anderer freisprechen können, dann sollten Sie sich nicht zu viel sorgen.« Ein Gespräch bot er trotzdem an, Faraday solle am folgenden Morgen zwischen zehn und halb elf

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