Die entführte Braut: Wenn die Braut sich traut (German Edition)
nicht gerade für einen Marsch durch die Wildnis geeignet war.
Nach einer weiteren halben Stunde blieb sie stehen und stellte fest, dass die Sonne sich zu ihrer Linken befand. Dort war also Westen. Seattle, das wusste sie, lag irgendwo in nordwestliche Richtung. Doch wie sollte sie dorthinkommen? In etwa einer Stunde würde die Sonne untergehen, und der Wald erschien ihr immer dichter und undurchdringlicher.
Zu allem Überfluss fing es nun auch noch an zu regnen.
Der Fluch, den sie ausstieß, überraschte Isabel selber. Ihr Rocksaum schleifte über hohe, dichtes Farnkraut. Plötzlich fiel ihr der Name dieser Farnart ein. Unser Volk benutzt dieses Kraut als Heilpflanze für Wunden, flüsterte eine Stimme in ihr.
„Schön“, murmelte Isabel, „und was benutzt man, um sich nicht in einer solchen Wildnis zu verirren?“
Die innere Stimme, die ihr die Kräuter in Erinnerung rief, war die Stimme ihres Vaters, eine Stimme, der sie nicht gehorchen würde. Er war der erste Mann in ihrem Leben gewesen, der sie bitter enttäuscht hatte.
Sie biss die Zähne zusammen. Dies alles war total verrückt. Sie sah im Geiste schon die Schlagzeilen der Zeitungen: „Braut eines prominenten Geschäftsmanns tot aufgefunden.“ Und Connie würde den Reportern sagen: „Sie war an jenem Tag völlig durcheinander.“
Dennoch stolperte sie weiter durch das Dickicht, fest entschlossen, nicht aufzugeben. Dann wurden die Schatten länger, und der Waldboden wurde immer nasser. Bei jedem Schritt überlegte sie sich eine neue Strafe für Dan, der ihr diesen grässlichen Marsch durch die Wildnis eingebrockt hatte. Oh ja, sie würde es ihm heimzahlen, diesem verdammten Kerl!
Ihr nasses Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht. Ihr Rock und ihr T-Shirt waren völlig durchgeweicht, und die Kleilabsätze ihrer Espadrilles waren mit Nässe vollgesogen wie Schwämme.
Verzweifelt, nass und wütend reckte sie wutentbrannt die Faust in den abendlichen Himmel. „Dieser verdammte Dan Black Horse!“, rief sie aus.
Ein paar Minuten später sah sie, dass sich wenige Meter vor ihr etwas im Unterholz bewegte. Zweige schnellten zur Seite, als irgendetwas zwischen den Bäumen auf sie zukam.
Eine neue Schlagzeile kam ihr plötzlich in den Sinn: „Bainbridge-Braut von Bär zerfleischt!“
Isabel stieß einen gellenden Schrei aus.
Als Dan vom Füttern der Pferde zurückkam und Isabel nicht auf der Veranda vorfand, vermutete er zunächst, sie mache einen Entdeckungsrundgang über das Gelände.
Gut, dachte er. Er hatte sich solche Mühe gegeben, die Anlage schön zu gestalten. Härter als je zuvor in seinem Leben hatte er daran gearbeitet. Es im Musikgeschäft zu schaffen war ein Kinderspiel im Vergleich dazu. Er hatte aus einem unberührten Waldgebiet eine Ferienanlage aus dem Boden gestampft, ohne den Wald unnötig zu zerstören. Die Anlage bestand aus dem Hotel, den Nebengebäuden, einem Innenhof mit hinreißendem Blick auf den Mount Adams sowie Ställen, Geräteschuppen und dem Hubschrauberlandeplatz. Es wäre sicher einfacher gewesen, Bulldozer und Zementmischer herzuholen, aber er hatte alles in Handarbeit bauen lassen – von indianischen Arbeitern.
Er hoffte so sehr, dass dies alles auch Isabel gefallen würde und dass sie verstand, was der Besitz für ihn bedeutete. Vielleicht wäre sie dann auch zugänglicher und würde ihr Herz für ihren Stamm wiederentdecken, den sie vor so langer Zeit hatte verlassen müssen.
Er setzte sich auf die Verandaschaukel aus Zedernholz, wartete auf sie und überlegte, was er ihr an diesem Abend noch zu sagen hatte.
Zuerst einmal sollte es ein prächtiges Essen geben. Gegrillter Lachs aus dem Fluss, Gemüse und Kräuter aus Juanitas Garten und dazu einen guten Wein aus einer der hiesigen Kellereien. Und nach dem Dinner würde er ihr alles sagen. Oder fast alles …
Es erschien ihm ein wenig zu früh, ihr schon zu gestehen, sagen, dass er kurz vor dem Bankrott stand. Und vielleicht ein wenig zu spät, ihr zu gestehen, dass er sie liebte.
Nach einer Weile wurde er unruhig. Er stand auf und ging auf der Veranda auf und ab. Dann durchstreifte er die gesamte Anlage.
Schließlich wurde ihm zu seinem Schreck und Kummer klar, dass Isabel fort war.
„Lady, Sie sehen aus, als sei Ihnen ein Geist erschienen“, sagte der Fremde.
„Ein Bär“, stieß Isabel hervor. Die Beine drohten unter ihr nachzugeben. Sie lehnte sich an einen großen Felsen. Der war genau so nass wie sie selber.
„Ein Bär?“ Der Fremde
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